Amprion zieht gemischte Bilanz aus Systemauftrennung am 8. Januar
Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E und die europäische Regulierungsbehörde ACER legen den Abschlussbericht zu der kontinentaleuropäischen Systemauftrennung am 8. Januar dieses Jahres vor. Der deutsche Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Amprion zieht eine gemischte Bilanz aus dem Vorfall: Zum einen haben die vorhandenen Schutzmechanismen und die gute Zusammenarbeit der europäischen ÜNB einen Zusammenbruch des kontinentaleuropäischen Synchrongebietes verhindert. Zum anderen muss aber auch zukünftig verstärkt darauf geachtet werden, dass die mit der europäischen Energiewende einhergehenden überregionalen Leistungsflüsse sicher beherrscht werden können.
Die vorhandenen Schutzmechanismen wie auch die gute Kooperation der europäischen ÜNB haben nach der automatischen Abschaltung („Auslösung“) eines 400-Kilovolt-Sammelschienenkupplers in der kroatischen Umspannanlage Ernestinovo am 8. Januar 2021 einen großen Stromausfall im europäischen Stromnetz verhindert. Das kontinentaleuropäische Stromnetz wies zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines hohen paneuropäischen Lastflusses eine geringe Sicherheitsmarge zum Verlust der Systemstabilität auf. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem gemeinsamen Bericht von ENTSO-E und ACER, der jetzt veröffentlicht wurde. Im Bericht werden darauf aufbauend über 20 Maßnahmen vorgeschlagen, um unter den Bedingungen der weiter voranschreitenden europäischen Energiewende derartige Vorfälle zukünftig zu vermeiden und das europäische Übertragungsnetz weiterhin sicher und stabil betreiben zu können.
Dr. Frank Reyer, Leiter Systemführung Netze Brauweiler bei Amprion und Vorsitzender des gemeinsamen Expertengremiums von ENTSO-E und ACER, erklärt dazu: „Die Systemauftrennung am 8. Januar konnte aufgrund der schnellen Aktivierung von Gegenmaßnahmen und der guten Kooperation der europäischen Übertragungsnetzbetreiber sicher und schnell behoben werden. Wir müssen aber darauf achten, dass auch zukünftig die noch weiter zunehmenden paneuropäischen Leistungsflüsse ebenso sicher beherrschbar bleiben. Dies erfordert, dass stets eine ausreichende Sicherheitsmarge gegenüber Störungen und Fehlern vorhanden sein muss und dem Netzbetrieb ausreichende Maßnahmen für eine sichere Systemführung zur Verfügung stehen.“
Bei der Systemauftrennung am 8. Januar wurden die etablierten Gegenmaßnahmen in Form von aktivierbarer Regelleistung, der vertraglich vereinbarten Unterbrechung industrieller Verbraucher und der Frequenzstützung durch andere Synchrongebiete schnell und koordiniert eingesetzt und haben so den Frequenzeinbruch stabilisiert. Amprion übernahm bei der Frequenzüberwachung als verantwortlicher Synchronous Area Monitor für Kontinentaleuropa am 8. Januar die Koordination der gemeinsamen Maßnahmen der europäischen Übertragungsnetzbetreiber.
Das Expertengremium, das den Abschlussbericht erarbeitet hat, gibt nun 22 weitergehende Empfehlungen ab, wie derartige Vorfälle künftig verhindert werden können. Diese umfassen zum Beispiel angepasste Betriebssicherheitsberechnungen, eine tiefergehende Analyse zur künftigen Stützung der Netzfrequenz sowie einen weiteren Ausbau der Kommunikation und Koordination zwischen den ÜNB. „Die Zusammenarbeit in dem internationalen Expertengremium war außerordentlich gut, konstruktiv und vertrauensvoll“, fasst Frank Reyer die Arbeit der letzten Monate zusammen. Das Gremium fordert alle beteiligten Parteien auf, die Umsetzung dieser Empfehlungen zu begleiten und zu ermöglichen, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
Frank Reyer sagt, dass die Gewährleistung der Netzstabilität für die Energiewende in Europa von zentraler Bedeutung ist. Er zieht dabei das positive Fazit, dass der hohe Anteil erneuerbarer Energien im Netz den ÜNB am 8. Januar keine Probleme bereitet hat. Gleichzeitig ist eine ausreichende Sicherheitsmarge unbedingt erforderlich, um plötzlich auftretenden Störungen und Fehlern entgegenzuwirken und in Europa auch zukünftig das gewohnt hohe Niveau der Versorgungssicherheit beibehalten zu können.
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ICS Investigation Expert Panel » Final Report » 15 July 2021 (PDF, Englisch)