Generator wird zum Motor
Die Spannungshaltung im deutschen Stromnetz wird durch die Einspeisung schwankender erneuerbarer Energien und die Abschaltung von Kernkraftwerken vor allem im Süden Deutschlands immer anspruchsvoller. Insbesondere im Herbst und Winter kann es hier zu Störungen kommen. Dies hat die Bundesnetzagentur (BNA) in ihrem Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstieges auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit im Sommer 2011 deutlich gemacht.
Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion und RWE Power haben vor diesem Hintergrund vereinbart, den Generator von Block A im nicht-nuklearen Teil des abgeschalteten Kernkraftwerks Biblis für die Netzdienstleistung "Phasenschieberbetrieb" umzurüsten und so zur Stabilisierung des Netzes im Süden Deutschlands beizutragen.
"Der Phasenschieber erleichtert es unseren Ingenieuren, die Systemsicherheit im Amprion-Netz auch in schwierigen Netzsituationen aufrecht zu erhalten", so Dr. Klaus Kleinekorte, Technischer Geschäftsführer. "Die rasche Durchführung dieses ehrgeizigen Projektes war nur möglich, weil alle Beteiligten - Siemens, RWE Power und unsere Mitarbeiter - in den vergangenen Monaten hervorragende Arbeit geleistet haben."
Die elektrische Maschine ist technisch so von RWE Power und dem Hersteller Siemens umgerüstet worden, dass der Generator jetzt im Motorbetrieb so genannte Blindleistung regeln kann, die für die Spannungshaltung im Netz dringend benötigt wird.
Die ersten Planungen für die umfangreiche und technisch sehr schwierige und aufwändige Umrüstung hatten im Juli vergangenen Jahres begonnen. "Uns blieb nicht viel Zeit, denn Amprion wollte den Phasenschieber schon im Februar 2012 in Betrieb nehmen", sagte Marcel Lipthal, Projektleiter der Siemens AG.
Die Umrüstung ab Oktober 2011 wurde zu einem großen Teil von Eigenpersonal des Kraftwerks Biblis durchgeführt. Mitte Februar wurde der Generator erstmalig, wie geplant, mit dem Übertragungsnetz der Amprion gekoppelt und damit der Phasenschieberbetrieb aufgenommen.
Eine Vereinbarung zwischen Amprion und RWE Power sieht zunächst eine Laufzeit bis Dezember 2013 vor. Die Kosten in Höhe von rund sieben Millionen Euro trägt Amprion.
Hintergrund Blindleistung:
Bei der Stromproduktion, wie auch bei beim Stromtransport und der Stromnutzung entsteht aus physikalischen Gründen eine von den Fachleuten als Blindleistung bezeichnete Energie. Diese ist auf der einen Seite notwendig, damit sich zum Beispiel Elektromotoren drehen, auf der anderen Seite steht sie aber dem eigentlichen Wirkstrom entgegen. Derzeit kann nur in Großkraftwerken diese Blindleistung geregelt werden. Daher sind diese Anlagen gleichmäßig im Stromnetz verteilt, um diese Kompensation sicherzustellen. Durch die schnelle Abschaltung von Kernkraftwerken ist dadurch vor allem im Süden Deutschlands diese wichtige Netzdienstleistung nicht mehr in vollem Umfang sichergestellt. Hier wird die Bibliser Generatorgruppe zukünftig einen wesentlichen Beitrag leisten.