Meilensteine der Systemführung

Wie sich „Brauweiler“ zu dem entwickelt hat, was es heute ist: der Schaltzentrale des Übertragungsnetzes von Amprion – und Koordinator für das deutsche und das nordeuropäische Verbundnetz.

Das Bild zeigt eine schwarz/weiß-Aufnahme der Umspannanlage in Brauweiler. — Herbst 1928: Auf einer Wiese in Brauweiler bei Köln entstehen die damals größte Umspannanlage Europas und die "Hauptschaltleitung" für das wachsende Höchstspannungsnetz des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE). Die Anlage gilt als technischer Meilenstein beim Aufbau eines großräumigen Strom-Verbundsystems in Deutschland. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt eine handgezeichnete Karte des Höchstspannungsnetzes der RWE aus dem Jahre 1930 — 1930: RWE nimmt die "Südleitung" in Betrieb. Die 220-Kilovolt-Höchstspannungsleitung erweitert das bisherige Verbundsystem reicht über Bayern hinaus bis nach Österreich. Die RWE-Netzkarte von 1930 (siehe Foto) zeigt sie als dicken roten Strich. Sie ermöglicht das Zusammenspiel von Kohlekraftwerken in Westdeutschland und Wasserkraftanlagen in den Alpen, um die Industrie an Rhein und Ruhr mit Strom zu versorgen. Die Trasse gilt als "D-Zug-Strecke für elektrischen Strom". Die Hauptschaltleitung Brauweiler steuert dieses neue System der Elektrizitätsversorgung. Quelle: Archiv RWE AG

Das Foto zeigt eine schwarz/weiß-Aufnahme des Innebereiches der Hauptschaltleitung in Brauweiler: Gefließter Raum, große Analoganzeigen. — Anfang der 1930er Jahre: "Was für ein Orchester der Dirigent, ist für die technische Betriebsführung des Verteilungsnetzes eines Elektrizitätswerks der Schaltdienst". An den Wänden der ersten Hauptschaltleitung Brauweiler sind Anzeige-, Mess- und Schaltinstrumente untergebracht. Auf der Galerie befindet sich das Dienstzimmer des Schaltingenieurs mit einem drei mal fünf Meter großen Leuchtschaltbild. Quelle: Archiv RWE AG

Das Foto zeigt Schäden in der Umspananlage: zerrissene Stahlträger und Isolatoren — In den 1940er Jahren: Während der NS-Zeit wird die Stromversorgung staatlich gelenkt und ist später an den Bedarfen der Kriegswirtschaft orientiert. Bombenangriffe beschädigen die Umspannanlage (siehe Foto aus dem Jahr 1940). Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt Gebäude vor einer Umspananlage — 1953: Die Hauptschaltleitung Brauweiler mit ihrer technischen Infrastruktur ist die größte Schalt- und Umspannanlage der Welt. Besucher beschreiben "einen bizarren Wald von Hochspannungsleitungen als Adern, die der Hauptschaltleitung des RWE ... das Blut zuführen und wieder ausströmen lassen". Aufbruch nach Europa: RWE und weitere Vertreter der westeuropäischen Elektrizitätswirtschaft sind seit 1951 in einem eigenen Verband organisiert. Er ist Keimzelle des sich in den Folgejahren herausbildenden europäischen Verbundnetzes. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt ein analoges Rückmeldebild — Wirtschaftswunder-Jahre: Stromverbrauch und Kraftwerksleistungen steigen in den 1950er Jahren. Die Aufgaben für den Schaltbetrieb werden komplexer. 1956 wird eine neue Netzwarte nach modernsten technischen Standards gebaut. Ein Jahr später nimmt RWE die erste 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung in Deutschland zwischen Rommerskirchen und Hoheneck in Betrieb. Sie überträgt vier Mal so viel Strom wie eine 220-Kilovolt-Leitungen des Höchstspannungsnetzes. Die westeuropäischen Stromnetze werden stärker miteinander verknüpft. Brauweiler koordiniert den internationalen Stromaustausch. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild ist in den 1970er-Jahren in der Hauptschaltleitun entstanden. Ein analoges Rückmeldebild, davor zwei Computerarbeitsplätze. Der Boden ist mit rotem Teppich versehen. — Die 1960er- und 1970er- Jahre: Das 380-Kilovolt-Leitungsnetz wird massiv ausgebaut, da Stromverbrauch und Kraftwerksleistungen weiter steigen. Ende der 1960er Jahre und noch einmal Mitte der 1970er Jahre wird die Hauptschaltleitung modernisiert. Nicht mehr der Mensch allein hat dort fortan Meldungen und Messwerte im Blick - Computer unterstützen diese Aufgaben und überwachen Lastfluss, Kraftwerkseinsatz und Verbundbetrieb. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt zwei Schaltingenieure vor einem analogen Rückmeldebild. — Die 1980er- und 1990er-Jahre: Die politische Wende in Osteuropa führt die dortigen Energieversorger an die westeuropäischen Stromverbünde heran. Brauweiler koordiniert das Zusammenspiel der Netze im nördlichen Teil des europäischen Verbundsystems. Dieser "Nordblock" reicht zunächst von den Niederlanden bis nach Ungarn, später bis nach Rumänien. Die 1999 beginnende Liberalisierung des Strommarkts in Deutschland und Europa und die damit verbundene Entflechtung von Netz- und Kraftwerksbetrieb verändert die Rolle der Hauptschaltleitung: Die Schaltingenieure planen nicht länger den Einsatz von Kraftwerken, sondern konzentrieren sich auf die Verantwortung für die Netz- und Systemsicherheit und die Abwicklung des europäischen Stromhandels. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt eine Stromtrasse. — 2000 fusionieren die Übertragungsnetze von RWE und VEW. Die Hauptschaltleitung steuert fortan als "Systemführung Netze" das Höchstspannungsnetz der neuen RWE Net AG, koordiniert den Verbundbetrieb in Deutschland und Nordeuropa. 2003 werden die Höchstspannungsnetze in die RWE Transportnetz Strom GmbH ausgegliedert. Die Systemführung Netze in Brauweiler wird die "Schaltzentrale" des neuen Unternehmens, das seit 2009 als Amprion firmiert. Quelle: Archiv RWE AG

Das Bild zeigt einen grün bewachsenen Hügel mit einem Kugelbaum auf seiner Kuppe. Im Hintergrund verläuft eine Freileitung. — Energiewende-Zeit: Durch den Ausbau von Windparks und Solaranlagen steigt der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von rund sechs Prozent in 2000 auf 36 Prozent in 2017. Der Ausstieg aus der Kernenergie wird besiegelt, der Netzausbau beginnt. Doch die erneuerbaren Energien wachsen schneller als die Infrastruktur für ihren Transport. Die Folge sind vermehrt Engpässe im Übertragungsnetz. Um sie zu bereinigen, setzt die Systemführung unter anderem auf den "Redispatch": Die Schaltingenieure in Brauweiler können - neben dem Einsatz von Regelenergie - auch andere Kraftwerke außerplanmäßig drosseln oder ihre Leistung erhöhen lassen, wenn es die Systemsicherheit erfordert.

MA vor Rückmeldebild — Ausblick: Die Anforderungen an die Netz- und die Systemführung werden im Zuge der Energiewende und durch den zunehmenden internationalen Stromhandel immer anspruchsvoller. Um diesen veränderten Herausforderungen gewachsen zu sein, entwickeln wir unsere Instrumente der Systemführung ständig weiter.

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