Rund um die Uhr sorgen Experten in der Systemführung von Amprion dafür, dass Stromerzeugung und -verbrauch im Gleichgewicht bleiben. Durch immer mehr Wind- und Sonnenstrom sowie den europäischen Stromhandel wird diese Aufgabe zunehmend komplexer.

Das Bild zeigt eine Person, die hinter einer großen Glasscheibe steht.

Joachim Vanzetta, Leiter der Systemführung bei Amprion

Brauweiler bei Köln, es ist der erste Montag des Jahres. Der Vormittag kündigt einen trüben, windstillen Tag an. Joachim Vanzetta blickt aus dem Bürofenster. „Bei so einem Wetter dreht sich im Norden kein Windrad“, sagt der Leiter der Systemführung von Amprion. „Käme noch Schneefall im Süden hinzu, würden auch Solaranlagen kaum Energie ins Netz einspeisen.“ Dann läge eine jener extremen Netzsituationen vor, die selbst ein Profi wie Vanzetta als „Herausforderung“ begreift – und die im Zuge der Energiewende häufiger auftreten. Bis 2040 will Deutschland seinen Strom mehrheitlich aus erneuerbaren Energien gewinnen. Was aber geschieht bei Windstille und wenn die Sonne nicht scheint?

Auf der anderen Seite gibt es Tage, an denen eine steife Brise im Norden und Sonnenschein im Süden so viel Energie bereitstellen, dass sie den Verbrauch in Deutschland beinahe vollständig abdecken. „Dazwischen liegen Welten“, sagt Joachim Vanzetta. „Mit beiden Extremen müssen wir in der Systemführung umgehen.“

Das „System“ ist das 11.000 Kilometer lange Höchstspannungsnetz von Amprion. Damit es zuverlässig Strom transportiert, muss eine Gleichung immer – und das heißt bei jedem Wetter und in jeder Sekunde des Tages – aufgehen: Erzeugung gleich Verbrauch. Unter anderem dafür tragen Vanzetta und sein Team die Verantwortung.

„Früher haben wir den Strom rund 60 Kilometer vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert. Heute legt er die mehrfache Strecke zurück, mit steigender Tendenz.“ Joachim Vanzetta

Infografik zu extremen Netzsituationen. Die Infografik zeigt zwei Zahlen im Vergleich, visualisiert durch verschieden große Kreise. Ein Kreis enthält die Prozentangabe 96, der andere Kreis 0,5. 
Unter dem Kreis mit der 96 steht geschrieben: des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland wurden am 07. Juni 2017 gegen 14 Uhr rechnerisch aus erneuerbaren Energien gedeckt.
Unter dem Kreise mit der 0,5 steht geschrieben: trugen die erneuerbaren Energien rechnerisch am 08. Januar um 17 Uhr zur Deckung des Stromverbrauchs bei. Die verbleibenden 99,5% lieferten konventionelle Kraftwerke.


Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten, war vor einigen Jahren einfacher als heute. „Die konventionellen Kraftwerke haben deutschlandweit genauso viel Strom produziert, wie auch verbraucht wurde“, berichtet Joachim Vanzetta. Doch mit der Energiewende hat sich die Stromlandschaft verändert. Deutschland setzt verstärkt auf erneuerbare Energien – und deren Stromeinspeisung schwankt genauso wie das Wetter. Hinzu kommt, dass Wind und Sonne dort Strom erzeugen, wo das Wetter dafür am günstigsten ist – und nicht dort, wo der Strom benötigt wird.

„Lastferne Erzeugung“ nennt Vanzetta diese Situation. Sie hat Konsequenzen für das Amprion-Übertragungsnetz: „Früher haben wir den Strom rund 60 Kilometer vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert. Heute legt er die mehrfache Strecke zurück, mit steigender Tendenz.“ Dadurch nehme die Auslastung der „Stromautobahnen“ deutlich zu. Staus drohen. Ein weiterer Faktor ist der europäische Binnenmarkt. Immer mehr Energie wird an den europäischen Strombörsen gehandelt und über das deutsche Netz „ausgeliefert“. Auch dadurch können Netzengpässe entstehen.

Für die Systemführung in Brauweiler bedeutet das: In die Stromgleichung „Erzeugung gleich Verbrauch“ fließen neue Variablen ein. Um das Amprion-Netz unter diesen Bedingungen stabil zu führen, bedarf es guter Planung, Erfahrung und Expertise sowie leistungsfähiger Systeme. Der Aufwand ist beträchtlich: Mit einem Jahr Vorlauf beginnt Vanzettas Team aus Elektroingenieuren, Börsenexperten, Wetterspezialisten und IT-Profis, jeden einzelnen Stromtag zu planen – ein ständig ablaufender Countdown. So terminieren die Amprion-Experten Wartungsarbeiten an Kraftwerken, Leitungen und Umspannanlagen im Voraus und koordinieren diese „Freischaltplanung“ mit anderen Netzbetreibern im In- und Ausland. Parallel nehmen sie den europäischen Stromhandel in den Blick.

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Wie sich "Brauweiler" zu dem entwickelt hat, was es heute ist.

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