Für ein stabiles Stromnetz

Netzbetrieb
Lesedauer: 6 Min.
Dr. Frank Reyer lehnt entspannt über einem modernen Geländer vor einer Ziegelwand. Er trägt einen dunkelblauen Anzug.
Dr. Frank Reyer, Leiter Systemführung, erläutert, was sein Team für die Netzsicherheit, die Volkswirtschaft und den Klimaschutz leistet.

Strom kommt aus der Steckdose, denken viele Menschen. Wozu braucht es da eine Systemführung von Amprion?

Frank Reyer: Erst einmal ist Strom lebenswichtig für unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft. Und: Bevor der Strom aus der Steckdose kommt, wird er irgendwo erzeugt und durch das Netz zu den Verbraucher*innen transportiert. Amprion ist für den „Fernverkehr“ im Stromnetz in seiner Regelzone zuständig. Dafür gibt es das sogenannte Übertragungsnetz. Die Aufgabe der Systemführung ist es, das Übertragungsnetz zu überwachen und so zu steuern, dass es stabil arbeitet. Daran arbeiten wir das ganze Jahr hindurch 24 Stunden am Tag.

Wann arbeitet ein Netz stabil?

Es arbeitet stabil, wenn Stromerzeugung und -verbrauch stets im Gleichgewicht sind. Das sehen wir an der Netzfrequenz. Darüber hinaus arbeitet das Netz stabil, wenn wir die Spannung konstant halten – und wenn der Strom so fließt, dass Leitungen nicht überlastet sind. All das haben die Kolleg*innen in der Systemführung im Blick und sorgen dafür, dass die Werkzeuge, die den stabilen Betrieb unterstützen, einsatzbereit sind.

Frank Reyer sitzt in Geschäftskleiung an einem hellen Tisch. Er spricht und gestikuliert. Eine weitere Person sitzt ihm gegenüber.

Die Aufgabe der Systemführung ist es, das Übertragungsnetz zu überwachen und so zu steuern, dass es stabil arbeitet.

Dr. Frank Reyer

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Leiter Netzführung und Systemsteuerung bei Amprion

Amprion bereitet den Weg für ein klimaneutrales Energiesystem. Wie trägt die Systemführung dazu bei?

Unser Stromnetz verbindet Erzeugung und Verbrauch. Auf beiden Seiten ändert sich derzeit viel, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Statt konventioneller Kraftwerke produzieren immer mehr Windparks und Solaranlagen Strom. In der Industrie steigt zugleich der Bedarf an grüner Energie für klimafreundliche Produktionsverfahren. Der kluge Ausbau des Netzes ermöglicht es, dass in Zukunft der regenerative Strom dorthin fließt, wo er gebraucht wird. Die Erzeugung erneuerbarer Energien ist jedoch vom Wetter abhängig und schwankt. Wir sorgen dafür, dass das Netz trotzdem im Gleichgewicht bleibt. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für ein klimaneutrales Energiesystem. Diese Aufgabe wird immer anspruchsvoller.

In welche Richtung verändert sich die Systemführung?

Das Energiesystem wird flexibler und wir entwickeln übergreifende Lösungen. Lange hatten wir nur das Stromnetz im Blick. Inzwischen beziehen wir immer stärker andere Sektoren und Energieträger ein. Wasserstoff etwa lässt sich per Elektrolyse aus erneuerbarem Strom erzeugen. Power-to-Gas-Anlagen und Wasserstoffspeicher werden das Stromsystem ergänzen. Die Systemführung der nächsten Generation wird diese vernetzte Energiewelt koordinieren. Wir stellen uns schon heute darauf ein. Dafür haben wir eine der modernsten Systemführungen Europas aufgebaut.

Info

Power-to-Gas

Der Power-to-Gas-Technologie kommt eine Schlüsselrolle bei der nationalen Wasserstoffstrategie zu. Eines der Funktionsprinzipien ist die Wasserelektrolyse: ein chemischer Prozess, bei dem Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Der so gewonnene Wasserstoff dient anschließend als Speicher für die aufgewendete Energie. Im Gegensatz zu Strom ist Wasserstoff leichter speicherbar.

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Die Hauptschaltleitung gilt als das Herz der Systemführung von Amprion. Was bedeutet das?

In der Hauptschaltleitung in Brauweiler laufen alle Informationen zusammen. Mithilfe der dort gesammelten Daten entscheiden die Ingenieur*innen in Echtzeit, welche Schritte unternommen werden müssen, um das Netz stabil zu halten. Diese Entscheidungen werden immer öfter mithilfe intelligenter Algorithmen vorbereitet. Das ist ein weiteres Beispiel für die Systemführung der nächsten Generation. Aber Systemführung geht weit über die Arbeit in der Hauptschaltleitung hinaus.

Inwiefern?

Das hat zwei Dimensionen: Jeder Stromtag im Netz, den die Kolleg*innen der Hauptschaltleitung in Echtzeit managen, wird aufwendig vor- und nachbereitet. In Front Office und Betriebsplanung beispielsweise wird anhand von Wetterprognosen und Strommarktdaten so genau wie möglich ermittelt, was am jeweiligen Folgetag im Netz los sein wird. Wir brauchen darüber hinaus die Prozesstechnik und die Kolleg*innen, die die Werkzeuge der Systemführung beschaffen und ihren Einsatz nachbereiten. Systemführung ist Teamwork.

Die zweite Dimension betrifft die Umsetzung von Maßnahmen: Amprion setzt auf konsequente Aufgabenteilung in Form einer „verteilten Netzführung“: Die Hauptschaltleitung behält den Überblick und leitet alle notwendigen Schritte ein. Die beiden Gruppenschaltleitungen führen die Maßnahmen anschließend aus. Sie nehmen unter anderem Leitungen in oder außer Betrieb. So greift ein Rad ins andere. Wir gewährleisten damit eine hohe System- und Schaltsicherheit und können neue Betriebsmittel relativ einfach in das Netz integrieren.