Power-to-Gas: Transport oder Vor-Ort-Produktion von Wasserstoff
Auch steht nicht fest, wo die Elektrolyseure gebaut werden sollen – beziehungsweise wie der Wasserstoff zum Verbraucher kommt. Das geht nur, indem man ihn entweder dort produziert, wo er benötigt wird oder indem man ihn transportiert. Eine Möglichkeit wäre, dass Unternehmen eigene Elektrolyseure bauen und betreiben, um Wasserstoff vor Ort mit Hilfe von grünem Strom zu erzeugen. Die Verortung an Industriestandorten hätte den Vorteil, dass Nebenprodukte der Elektrolyse wie Abwärme oder Sauerstoff regional genutzt werden könnten. Das würde die Wirtschaftlichkeit der Anlagen erhöhen. Allerdings befindet sich ein Großteil der energieintensiven Industrie nicht im Norden Deutschlands, wo viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Es müssten also große Mengen an Strom für die Elektrolyse über weite Strecken transportiert werden. Um das zu leisten, würde der ohnehin schon große Netzausbaubedarf noch deutlich weiter steigen.
Im anderen Fall würde die Industrie den Wasserstoff von außen beziehen. In diesem Modell stünden die Elektrolyseure dort, wo Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird und wandeln ihn um. Denkbar wäre beispielsweise, den Windstrom aus der Nordsee in Wasserstoff umzuwandeln und ihn verflüssigt mit Schiffen oder als Gas via Pipelines abzutransportieren. Doch auch hierfür fehlt bisher die nötige Infrastruktur. Neben Elektrolyseuren bräuchte es Anlagen zur Verflüssigung des Wasserstoffs auf See. Weiterhin müssten Teile des heutigen Gasnetzes für den Wasserstofftransport umgerüstet oder ein separates Wasserstoffnetz gebaut werden. Letztlich stellt sich also die Frage, ob Investitionen eher im Strom- oder im Gassektor stattfinden sollten – und ob die Industriekunden auf den Bau des Wasserstoffnetzes warten können.
Betrieb von Elektrolyseuren mit überschüssigem grünem Strom
Elektrolyseure benötigen viel Energie. Sie bilden also eine neue Verbraucherklasse von grünem Strom, der generell in immer größeren Mengen benötigt wird. Vieles spricht dafür, diesen Strom aus erneuerbaren Energien auch vorrangig als solchen zu nutzen. Die meisten Übertragungsnetzbetreiber plädieren daher dafür, ausreichend Elektrolyseure an das Strom- sowie an ein Wasserstoffnetz anzuschließen und die Standorte vorwiegend so zu planen, dass sie mit überschüssigem grünem Strom betrieben werden können. Das heißt konkret: in der Nähe von Anlagen, die bisher an Tagen mit viel Erzeugung abgeregelt werden, weil im lokalen Stromnetz die Kapazität fehlt, um ihn zu transportieren. Wenn es gelingt, genau diesen Strom in Wasserstoff zu verwandeln, kann er einerseits sinnvoll weiter genutzt werden, während andererseits das Risiko einer Netzüberlastung sinkt
Kein grüner Wasserstoff-Markt ohne Netz?
Über die nächsten Schritte diskutieren zurzeit Forschende, Strom- und Gasnetzbetreiber, die Politik und die Bundesnetzagentur. Expertinnen und Experten können sich auch eine Mischlösung aus vor Ort produziertem Wasserstoff und einem Wasserstoff-Startnetz aus umgerüsteten Erdgas-Pipelines vorstellen. Doch die rechtlichen Grundlagen fehlen noch. Gasnetzbetreiber fordern, schnell Klarheit zu schaffen, damit sich ein Markt für grünen Wasserstoff entwickeln kann. Die Bundesnetzagentur hingegen will zunächst zukünftige Großverbraucher in den systematischen Überlegungen stärker berücksichtigen, damit nicht an wirtschaftlichen Bedürfnissen vorbeigeplant wird. Die Behörde will auch die mittel- und langfristige Nachfrage nach Wasserstoff im Auge behalten. Denn gibt es erst einmal eine Infrastruktur samt Importmöglichkeiten für ausländischen Wasserstoff, muss der in Deutschland erzeugte Wasserstoff mit günstigen Produkten konkurrieren – und ist dann eventuell nicht wettbewerbsfähig.
Während diese Fragen geklärt werden, ist es von zentraler Bedeutung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland vorankommt. Denn nur dann können die Energieüberschüsse für einen wirtschaftlichen Power-to-Gas-Betrieb ausreichen und nur dann können Elektrolyseure einen Beitrag zur Sektorenkopplung und zur weiteren Integration erneuerbarer Energien leisten.