Werkzeuge der Systemführung – der Koffer ist gut gefüllt

Netzbetrieb
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Um das Stromnetz stabil und sicher zu betreiben, steht der Systemführung ein gut gefüllter Werkzeugkasten zur Verfügung. Wir erklären, wie diese Systemdienstleistungen eingesetzt werden.
Windräder in der Abendsonne vor einer Umspannanlage, einem Kraftwerk und Strommasten im Hintergrund.

1. Was die Frequenz stabil hält: Regelreserve einsetzen

Regelreserve – was ist das?

Regelreserve bezeichnet die Leistung, die ein Netzbetreiber benötigt, um unter anderem unvorhergesehene Frequenzschwankungen auszugleichen und Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten.

Wie wird Regelreserve eingesetzt?

Betriebsbereite Erzeugungsanlagen fahren an oder drosseln ihre Einspeisung. Die sogenannte Primärregelreserve wird automatisch abgerufen und muss nach 30 Sekunden für mindestens 15 Minuten bereitstehen. Sie sorgt dafür, dass die Frequenz im Netz innerhalb der zulässigen Grenzwerte bleibt. Sie stabilisiert also die Netzfrequenz. Die ebenfalls automatisch aktivierte Sekundärregelreserve sorgt dann dafür, dass bei einer andauernden Frequenzabweichung die Frequenz wieder auf den Sollwert zurückgeführt wird. Sie muss nach fünf Minuten zur Verfügung stehen. Die Minutenreserve löst die Sekundärregelreserve im Bedarfsfall nach einer Viertelstunde ab und wird von der Systemführung manuell angefordert. Der derart gestufte Einsatz der Reservearten garantiert, dass stets ausreichend schnelle Regelreserve zur Verfügung steht, um die Netzfrequenz stabil zu halten.

Umspannanlage mit angrenzendem hellem Gebäude.

2. Was die Spannung stabil hält: Blindleistung regulieren

Blindleistung – was ist das?

Damit Strom im Wechselstromnetz überhaupt fließen kann, muss 50-mal pro Sekunde ein Magnetfeld auf- und abgebaut werden. Weil die Leistung zum Aufbau eines Feldes bei dessen Abbau wieder ans Netz zurückgegeben wird, bezeichnet man diese Leistung als Blindleistung. Sie verrichtet keine nutzbare Arbeit, wird aber für den Aufbau der Spannung benötigt.

Warum Blindleistung steuern?

Indem Netzbetreiber die Blindleistung steuern, können sie damit die Spannung so einstellen, dass elektrische Anlagen und Leitungen zuverlässig funktionieren und nicht beschädigt werden. Früher lieferten die großen Kraftwerke die Blindleistung aus ihren Generatoren. Seitdem die Zahl der Kraftwerke abnimmt, müssen andere Anlagen ins Netz integriert werden, um die Blindleistung zu regulieren. Dazu zählen sogenannte rotierende Phasenschieber, STATCOM Anlagen oder Drosseln. Die Systemführung kann die benötigte Blindleistung entsprechend der Bedürfnisse im Netz einstellen und somit die Spannung im Netz stabil halten.

3. Was das Netz entlastet: Stromflüsse steuern und Redispatch durchführen

Wie werden Stromflüsse gesteuert?

Zeichnen sich auf Basis der Wetterprognosen, der Kraftwerksfahrpläne und der Lastprognosen Überlastungen auf bestimmten Leitungen ab, muss die Systemführung vorbereitend reagieren, um den Engpässen zu begegnen. Hierfür kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz. Prinzipiell nutzt die Systemführung dabei zuerst die Möglichkeit, durch Schaltungen die Stromflüsse im vermaschten Übertragungsnetz so zu steuern, dass Überlastungen vermieden werden. Dazu können auch Betriebsmittel wie Phasenschieber-Transformatoren (PST) eingesetzt werden, um Stromflüsse im vermaschten Netz von drohenden Engpässen weg auf weniger belastete Abschnitte umzuleiten. Topologische Maßnahmen wirken wie Weichen im Netz.

Worum geht es beim Redispatch?

Redispatch bezeichnet Eingriffe in die Einsatzpläne – Englisch: Dispatch – von Erzeugungsanlagen. Diese werden außerplanmäßig herunter- und heraufgeregelt, damit Stromleitungen nicht überlastet werden. Engpässe drohen etwa an windreichen Tagen, wenn viel Strom in den Süden transportiert werden soll, oder auch, wenn Stromhändler Energie an weit entfernten Handelsplätzen eingekauft haben. In diesen Fällen weist die Systemführung eine Erzeugungsanlage, die vor dem Engpass liegt, an, weniger Strom ins Netz einzuspeisen. Zum anderen fordert sie ein Kraftwerk, das sich hinter dem Engpass befindet, auf, mehr Strom einzuspeisen. Dies können auch Reservekraftwerke sein, die Amprion eigens für diesen Zweck kontrahiert. So ist das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch stets gewährleistet und der Engpass entschärft. Da immer mehr Erzeugungsanlagen an die Verteilnetze angeschlossen sind, stimmen sich die Betreiber von Übertragungs- und Verteilnetzen beim Redispatch miteinander ab.

Info

Marktgestützte Beschaffung

Zur Beschaffung von Systemdienstleistungen hat Amprion mit verschiedenen Kraftwerksbetreibern und anderen Anbietern Rahmenverträge geschlossen. Mit dem Rahmenvertrag erhalten Anbieter die Möglichkeit, Gebote an dem Regelleistungs- und Regelarbeitsmarkt abzugeben. Wie auf jedem Markt erfolgen Angebote zu bestimmten Konditionen. Je niedriger der Preis, desto eher kommen Anbieter zum Zuge.