Amprion setzt auf Innovationen, um die Zukunft der Energiewelt mitzugestalten, sagt CEO Dr. Hans-Jürgen Brick. Das zeigt sich an Projekten aus allen Bereichen des Unternehmens.
Übertragungsnetzbetreiber gelten als konservativ. Schließlich geht es ihnen um die Sicherheit des Stromsystems. Ist da überhaupt Spielraum für Innovationen?
Dr. Hans-Jürgen Brick: Aber sicher. Als Übertragungsnetzbetreiber haben wir nicht nur die Aufgabe, das Stromsystem stabil und sicher zu halten, sondern bereiten auch den Weg für ein klimaneutrales Energiesystem. Um diese beiden Aufgaben zu verbinden, sind wir auf neue Technologien, auf neue Lösungen angewiesen. Um es klar zu sagen: Wir sind kein Netzbetreiber, der sein Netz lediglich verwaltet. Wir gestalten die Zukunft der Energiewelt mit – und das geht nur mit einem Denken, das nach vorne gerichtet ist. Dieses Denken gehört zur DNA von Amprion. Daraus entstehen Innovationen.
Was sind das für neue Technologien, neue Lösungen?
Das Spektrum reicht von neuen Bohrverfahren für die Verlegung von Erdkabeln bis zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Systemführung, von neuen Betriebsmitteln, die das Netz stabilisieren, bis zu digitalen Analysewerkzeugen, die uns helfen, das Energiesystem der Zukunft zu modellieren. Die Innovationsdynamik durchzieht alle Geschäftsbereiche. Wir gehen für die Energiewende an so vielen Stellen neue Wege, dass wir uns entschlossen haben, die Innovationstätigkeit von Amprion umfassend und systematisch darzustellen. Dazu dient der erste Innovationsbericht unseres Unternehmens.
Was fasziniert Sie an Innovationen?
Es geht darum, neue Wege zu gehen, um unsere volkswirtschaftlich wichtigen Aufgaben zu erfüllen. Ich bin kein Ingenieur, aber freue mich sehr, wenn Kolleginnen und Kollegen initiativ werden und Ideen entwickeln, wie Dinge besser, effizienter laufen können. Amprion war immer schon eine Ideenschmiede. Wir stehen ja in der Tradition jener Ingenieure, die vor 100 Jahren das Übertragungsnetz in Deutschland erfunden haben. Damals entstand die erste Stromverbindung in den Alpenraum. Sie ermöglichte das Zusammenspiel von Kohlekraftwerken in Westdeutschland und Wasserkraftanlagen in den Alpen, um die Industrie an Rhein und Ruhr mit Strom zu versorgen. Die Hauptschaltleitung in Brauweiler hat dieses neue System der Elektrizitätsversorgung gesteuert und erfüllt bis heute eine zentrale Aufgabe in der Systemführung. Das macht sie mit Hilfe modernster IT und künstlicher Intelligenz. Anders könnten unsere Ingenieur*innen die Mengen an Daten nicht verarbeiten, die an mehr als 2800 Leitungen und an mehr als 50.000 Schaltgeräten in 160 Umspannanlagen erhoben werden.
Es geht darum, neue Wege zu gehen, um unsere volkswirtschaftlich wichtigen Aufgaben zu erfüllen.
Welche Innovationen brauchen wir für die Energiewende?
Die Herausforderung liegt darin, das Energiesystem auf die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien umzustellen. Wir verabschieden uns zunehmend zum Beispiel von konventionellen Kraftwerken, deren Generatoren die Spannung im Stromnetz stützen. An ihrer Stelle integrieren wir neuartige Betriebsmittel wie rotierende Phasenschieber ins Netz. Ein anderes Beispiel ist das Projekt „Systemvision 2050“. Dort haben wir Partner aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um die unterschiedlichen Anforderungen an ein klimaneutrales, sektorenübergreifendes Energiesystem zu identifizieren und zu diskutieren. Daraus kann eine gemeinsame Vision für ein Energiesystem der Zukunft entstehen. Das Projekt liefert damit eine Blaupause, um einen künftigen Systementwicklungsplan zu erstellen, der die energiewirtschaftlichen Sektoren Strom, Wärme, Methan und Wasserstoff gemeinsam betrachtet und optimiert.
Wie helfen Innovationen beim Netzausbau?
Diesem Thema widmet der Innovationsbericht ein eigenes Kapitel. Das zeigt die Bedeutung für Amprion. Gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie arbeiten wir zum Beispiel an neuen bodenschonenden Bohrverfahren. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, haben wir ein Computerprogramm mitentwickelt, das dabei hilft, Trassen so zu planen, dass es weniger Konflikte mit Stakeholdern in der Region gibt. Zur Beschleunigung tragen auch innovative Maßnahmen der Kommunikation bei: Wir können Stakeholder künftig auch durch digitale Dialogformate einbinden, zum Beispiel durch einen Bürgerinfomarkt im Internet. Dadurch erhöhen wir unsere Reichweite. Und je besser sich Menschen informiert fühlen, desto eher sind sie bereit, den Bau von Stromleitungen in ihrer Nachbarschaft zu tolerieren.
Wir setzen neue Lösungen nur ein, wenn sie sich in der Praxis bewähren und uns voranbringen.
Wie fördert Amprion Innovationen?
Wir halten uns an den Dreiklang aus Zielen, Prozessen und Kultur. Wir haben strategische Ziele. Um sie zu erreichen, setzen wir unter anderem auf Innovationen. In diesem Jahr, 2023, werden wir ein Innovationssymposium veranstalten. Die Unternehmenskultur von Amprion ist darauf ausgerichtet, Wissen und Erfahrungen zu teilen, sich Herausforderungen anzupassen und veränderungsfähig zu sein. Daher bin ich mir sicher, dass uns die guten Ideen für neue Technologien und neue Lösungen nicht ausgehen werden. Und in unseren Netzwerken finden wir die Partner, mit denen wir Innovationen nicht nur entwickeln, sondern auch erproben können. Das ist uns als Übertragungsnetzbetreiber wichtig: Innovationen sind kein Selbstzweck. Wir setzen neue Lösungen nur ein, wenn sie sich in der Praxis bewähren und uns voranbringen. Da sind wir auf gute Weise konservativ.