Wer gleicht die Erzeugung aus?
Strom aus Solaranlagen wird überwiegend auf dem Strommarkt verkauft. Dieser Verkäufe finden statt, bevor der Strom produziert wird. Die Erzeugung aus Solaranlagen unterliegt jedoch immer dem Wetter: Je bedeckter der Himmel, desto weniger Solarstrom wird erzeugt. Deswegen gibt es Prognosen, wie hoch die Erzeugung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein wird. Diese bestimmen, wie viel Strom auf dem Markt angeboten und vermarktet wird. Dies gilt auch für den Zeitraum der Sonnenfinsternis. In vielen Prognosen wird der Effekt der Sonnenverdunklung erfasst und berücksichtigt. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Da eine Sonnenfinsternis ein seltenes Ereignis ist, wird sie möglicherweise nicht in allen Prognosetools berücksichtigt. Es kann also zu Abweichungen zwischen der Prognose und dem tatsächlich produzierten Strom kommen. Diese gleichen die Übertragungsnetzbetreiber aus – in dem Moment, in dem sie auftreten. Dazu setzen sie Regelenergie ein.
Wie viel Leistung wird für den Ausgleich gebraucht?
Die Übertragungsnetzbetreiber haben sich in den vergangenen Monaten intensiv auf die Sonnenfinsternis vorbereitet. Laut ihren Berechnungen wird die Erzeugung aus Solaranlagen um maximal 4,2 Gigawatt absinken. Nicht alle 4,2 Gigawatt müssen ausgeglichen werden.
Die Übertragungsnetzbetreiber vermarkten rund zwei Drittel des deutschen Solarstroms und berücksichtigen die Sonnenfinsternis in ihren Prognosen. Das restliche Drittel des Solarstroms bringen Direktvermarkter, die keine Netzbetreiber sind, an den Markt: rund 1,4 Gigawatt. Auch sie haben Prognosemodelle, die die Sonnenfinsternis berücksichtigen. Da die Solaranlagen über Deutschland verteilt sind, sind nicht alle gleich von der Sonnenfinsternis betroffen.
Es bleibt rund ein Gigawatt Leistung, auf dessen Ausfall sich die Übertragungsnetzbetreiber vorbereiten. Die wichtigste Maßnahme, die sie ergreifen, ist die Erhöhung der Regelleistung. Dafür schreiben sie zusätzlich 500 Megawatt Sekundärregelleistung aus, mit der sie die Einspeisung erhöhen können, sowie 500 Megawatt Sekundärregelleistung, mit der sie die Einspeisung absenken können. Darüber hinaus schreiben die Übertragungsnetzbetreiber 500 Megawatt Minutenreserve aus, mit der sie die Einspeisung – falls notwendig – ebenfalls erhöhen können.
Haben die Übertragungsnetzbetreiber weitere Maßnahmen ergriffen?
Die Vorbereitung der Sonnenfinsternis läuft seit mehreren Monaten. Zwei Monate vor dem Ereignis haben die Übertragungsnetzbetreiber andere Marktteilnehmer über die bevorstehende Sonnenfinsternis informiert. Im Mai haben die Netzbetreiber bei den Prognoseanbietern für die Solarerzeugung erste Prognosen für den Verlauf der Sonnenfinsternis angefragt und diese gemeinsam bewertet. Zwei bis drei Tage vor dem 10. Juni werden die Übertragungsnetzbetreiber die Lage einschätzen und am Vortag die Stromvermarktung für den 10. Juni analysieren. Während der Sonnenfinsternis werden die Systemführungen der Übertragungsnetzbetreiber im ständigen Austausch stehen und abgestimmt Maßnahmen für den Ausgleich der Erzeugung ergreifen. Anders als im Jahr 2015 sind Sonderbetriebskonzepte nicht notwendig – die Abweichung wird nicht so groß.
Welche Lehren aus der Sonnenfinsternis im Jahr 2015 helfen heute bei der Sonnenfinsternis im Jahr 2021?
Die gemeinsame Vorbereitung war im Jahr 2015 der Schlüssel zum Erfolg. Deswegen stimmen sich die Übertragungsnetzbetreiber auch bei dieser Sonnenfinsternis eng ab und bereiten sich intensiv auf das Ereignis vor. Auch wenn die Auswirkungen der partiellen Sonnenfinsternis diesmal deutlich geringer sind als im Jahr 2015, haben die Übertragungsnetzbetreiber die anderen Marktteilnehmer erneut frühzeitig auf die Herausforderung aufmerksam gemacht. Besonders durch die Zusammenarbeit mit den Prognoseanbietern lassen sich so effiziente Maßnahmen ergreifen. Zur Absicherung steht die zusätzliche Regelenergie zur Verfügung.
Update am 10. Juni 2021, 15 Uhr: Keine Auswirkungen auf die Stromversorgung.
Eine Sonnenfinsternis ist für Systemführer immer eine Herausforderung und für Amprion als Synchronous Area Monitor für Kontinentaleuropa besonders. Amprion trägt die Verantwortung für die stabile Frequenz in Deutschland und Europa – und wenn Solarstrom wegfällt, dann muss dieser ausgeglichen werden, damit das System stabil bleibt. Deswegen hat Amprion neben den gemeinsamen Vorbereitungen aller Übertragungsnetzbetreiber seine Hauptschaltleitung für die Sonnenfinsternis doppelt besetzt. Während des Naturereignisses stand die Hauptschaltleitung im ständigen Austausch mit den Kollegen aus der Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien, um jederzeit eingreifen zu können – was wegen der gemeinsamen Vorbereitungen der Übertragungsnetzbetreiber und guter Photovoltaik-Prognosen aber nicht notwendig wurde. In Deutschland wurden diese guten, auf die Sonnenfinsternis angepassten Prognosen in enger Zusammenarbeit zwischen den Prognoseexperten der vier Übertragungsnetzbetreiber und den Prognoseanbietern erstellt.
Weiterführende Links
Das Fazit zur Sonnenfinsternis in Nordeuropa lesen Sie hier.