Hellbrise: Keine Blackouts durch Stromüberschuss

Netzbetrieb
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Fachleute beschäftigen sich zunehmend mit der Frage, ob der fortschreitende Zubau von Photovoltaikanlagen zu Netzstörungen führen kann. Zuletzt hieß es, dass Netzbetreiber an Ostern oder Pfingsten eventuell ganze Regionen vom Stromnetz trennen müssten. Wir erklären, was dahinter steckt und warum wir nicht von großflächigen und unkontrollierbaren Störungen ausgehen.

Was sind Photovoltaik-Spitzen?

Photovoltaik-Spitzen beziehen sich auf Zeiten, in denen die Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen (Solaranlagen) besonders hoch ist. Dies geschieht typischerweise an sonnigen Tagen zur Mittagszeit, wenn die Sonneneinstrahlung am stärksten ist. Dann wird eine große Menge an Solarstrom erzeugt, die zusätzlich zu übriger erneuerbarer und konventioneller Erzeugung in das Stromnetz eingespeist, möglicherweise aber nicht vollständig genutzt oder gespeichert werden kann. Sofern die Solaranlagen nicht abgeregelt werden können – weil zum Beispiel die meisten kleineren Anlagen nicht gesteuert werden können – entsteht ein Erzeugungsüberschuss.

Für dieses Phänomen haben sich in der Öffentlichkeit die Begriffe „PV-Spitzen“ und „Hellbrise“ etabliert. Während Photovoltaik-Spitzen die Wahrscheinlichkeit eines Überschusses an Solarstrom unterstellen, geht der Begriff Hellbrise von einem Überschuss an Solar- und Windeinspeisung aus. Die Hellbrise ist das Gegenstück der sogenannten Dunkelflaute, bei der durch wenig Wind und Sonne die Ökostrom-Erzeugung stark reduziert ist oder ganz ausfällt und gleichzeitig viel Strom verbraucht wird.

Das Bild zeigt ein blaues Symbol mit drei Elementen: ein Windrad, ein Solarpanel und eine ansteigende Kurve mit einem Pfeil nach oben. Das Symbol steht für erneuerbare Energien und deren Wachstum oder positiven wirtschaftlichen Trend.
Hellbrise
Hohe Solar- und Windeinspeisung

kann zu einem Stromüberschuss führen

Warum können sich Stromüberschüsse negativ auf das Stromnetz auswirken?

Bei hoher PV-Einspeisung steigt die Wahrscheinlichkeit von Erzeugungsüberschüssen als auch von lokalen und regionalen Netzengpässen. Diese Netzengpässe entstehen, da mehr Strom transportiert werden muss, als die Stromleitungen abtransportieren können.

Auch die Frequenz im Stromnetz kann durch Erzeugungsüberschüsse beeinflusst werden. Steht dem Stromverbrauch ein Überangebot an Stromerzeugung gegenüber, steigt die Frequenz. Das Stromnetz muss jedoch eine nahezu konstante Frequenz von 50 Hertz halten. Abweichungen können ohne Gegenmaßnahmen schlimmstenfalls zu einem sogenannten „Blackout“, einem Zusammenbruch des Netzes, führen. Dass es so weit kommt, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Zuvor ergreifen die Übertragungsnetzbetreiber eine Reihe an Maßnahmen, um die Systemsicherheit zu wahren und so ein Szenario rechtzeitig abzuwenden.

Welche Maßnahmen können die Netzbetreiber ergreifen?

Den Netzbetreibern steht eine umfangreiche Liste an Maßnahmen zur Verfügung, um Netzengpässe und Frequenzprobleme zu lösen. Unter anderem können sie Photovoltaik- und andere Erzeugungsanlagen vorübergehend abschalten oder abregeln.

Schritt 1: Abschaltung von Erzeugungsanlagen

Zunächst versuchen die Netzbetreiber dann im Verteilnetz Stromleitungen abzuschalten, an die nur Erzeuger wie zum Beispiel Solaranlagen angeschlossen sind. Allerdings ist das vor allem bei kleineren Photovoltaikanlagen aufgrund fehlender Steuerbarkeit oft nicht möglich.

Schritt 2: Abschaltung von Erzeugern und Verbrauchern

Wenn auch das nicht ausreicht, würden in einem zweiten Schritt und als letzte Maßnahme Stromleitungen abgeschaltet, über die nicht nur Strom eingespeist, sondern auch verbraucht wird. In diesem Fall könnten dann auch Haushalte in einer bestimmten Region zeitlich begrenzt von einer Stromabschaltung betroffen sein.

Warum kann es um Ostern und Pfingsten zu Frequenzschwankungen kommen?

Zu Ostern und Pfingsten könnte es aufgrund der Wetterlage zu einer hohen Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen kommen. Gleichzeitig ist der Stromverbrauch in dieser Zeit – vor allem an Sonn- und Feiertagen – erfahrungsgemäß niedrig. Berechnungen zeigen, dass es daher kurzfristig zu lokalen Engpässen im Netz kommen kann. Aber auch Frequenzschwankungen können als Folge eines Erzeugungsüberschusses auftreten. Die Netzbetreiber sind jedoch gut auf die möglichen Szenarien vorbereitet, um die Systemsicherheit und die Netzstabilität in solchen Fällen weiter zu gewährleisten. Amprion erwartet im Laufe des Jahres 2025 in seinem Netzgebiet keine kritischen Situationen, die nicht mit den verfügbaren Instrumenten zu bewältigen sind.

Porträt: Ein Mann lehnt an einem metallenen Geländer vor einer Backsteinwand. Er trägt ebenfalls einen Anzug mit hellblauem Hemd und blickt freundlich lächelnd in die Kamera. Die Szene findet bei Tageslicht statt, der Hintergrund vermittelt einen urbanen Eindruck.

Amprion erwartet im Laufe des Jahres 2025 in seinem Netzgebiet keine kritischen Situationen, die nicht mit den verfügbaren Instrumenten zu bewältigen sind.

Dr. Frank Reyer

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Leiter Netzführung und Systemsteuerung bei Amprion

Wie wird das Stromnetz künftig vor Überschüssen geschützt?

Das Ziel muss es sein, die Steuerbarkeit regenerativer Erzeugungsanlagen zu erhöhen und zu optimieren, sodass diese zukünftig bei Erzeugungsüberschüssen nicht weiter ins Netz einspeisen. Um das zu erreichen, sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich. Einige wurden bereits verabschiedet, andere werden zurzeit noch vorbereitet und diskutiert. Parallel arbeiten Netzbetreiber mit weiteren Akteuren der Branche an ihren gemeinsamen Prozessen.