Leiterseile im Geräuschtest

Innovation
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Das Bild zeigt eine riesige, hallenartige Konstruktion, die von zahlreichen Kabeln und großen, metallischen Kugeln durchzogen ist. Die Wände sind mit Holzplatten verkleidet, die eine auffällige Musterung bilden. In der Mitte des Raumes steht ein massiver, zylindrischer Transformator, der von oben bis unten mit Kabeln verbunden ist. An den Seiten des Raumes sind weitere, kleinere Transformatoren und metallische Strukturen angebracht. Der Boden ist aus einem rötlichen Material gefertigt und weist Spuren von Reifen ab. In einem Eck des Raumes ist eine kleine, gelbe Fahrzeug zu erkennen. Ein Mensch, der nur als dunkle Silhouette zu sehen ist, steht in der Nähe des Transformators und scheint etwas an einer Maschine zu bedienen.
Freileitungen können Geräusche machen – insbesondere bei Regen und hoher Luftfeuchtigkeit. Amprion forscht daran, die Schallemissionen zu verringern. Das erfordert Tests in futuristischer Umgebung.

Ein Warnton erklingt. Kurz darauf liegen 270.000 Volt Spannung an den vier Leiterseilen . Künstlicher Regen fällt aus der Beregnungsanlage, die an der Decke montiert ist. Dann dringt ein Knistern ans Ohr. Dieses Geräusch interessiert Steffen Riebling und Dr. Benjamin Schröder. Die Amprion-Ingenieure hören aufmerksam zu und blicken auf ihre Bildschirme, wo sich Balken und Zahlenreihen auf und ab bewegen. Im Hochspannungslabor der Technischen Universität Graz testen sie und ihr Team mehrmals im Jahr, wie sich Geräusche an Freileitungen verringern lassen.

270.000
Volt

liegen zum Test auf den vier montierten Leiterseilen

Fällt Regen auf Höchstspannungsfreileitungen, kommt es zu elektrischen Teilentladungen. Das ist vor allem als Knistern und Bitzeln wahrzunehmen. Menschen, die in der Nähe einer Stromleitung wohnen, können sich dadurch gestört fühlen. „Deshalb spielt die Geräuschentwicklung bereits bei der Planung unserer Leitungsprojekte eine wichtige Rolle“, sagt Steffen Riebling. Neue Leitertypen werden im Auftrag von Amprion so konstruiert, dass sie im Betrieb möglichst leise arbeiten.

Erfahrene Partner für Geräuschetests

Die Tests führt Amprion nicht allein durch, sondern lässt sich von erfahrenen Partnern unterstützen. An den Versuchen sind neben Expert*innen der Technischen Universität Graz drei Ingenieure von TÜV Hessen beteiligt. „Die Konstellation des Teams erlaubt es uns, auf eine einzigartige Expertise zurückzugreifen“, sagt Amprion-Ingenieur Riebling. TÜV Hessen beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren intensiv mit den Geräuschemissionen von Freileitungen. Das hat seinen Grund. Heute muss für Aus- und Umbauprojekte in der Regel ein Geräuschgutachten vorliegen. Der hessische Prüfdienstleister nutzt dafür aktuelle Erkenntnisse aus Langzeitmessungen an realen Freileitungen. Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen aus Graz fließen ebenfalls in die Gutachten ein.

Das Bild zeigt einen Mann mit einem blauen Hemd in einer Gesprächssituation.

Die Konstellation des Teams erlaubt es uns, auf eine einzigartige Expertise zurückzugreifen.

Steffen Riebling

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kümmert sich bei Amprion um die Geräuschetests

Das Grazer Institut für Hochspannungstechnik und Systemmanagement bringt die neuesten Erkenntnisse über Leitungstechnik in das Projekt ein. Wissenschaftler forschen dort seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Das Institut verfügt über geeignete Anlagen für die Versuche mit Leiterseilen. Das Herzstück des Instituts ist eine turmhohe Halle, so groß wie ein Handballfeld. Sie wurde speziell für den Test von Leiterseilen gebaut und genügt höchsten Ansprüchen. Auch wegen der besonderen Architektur: Ein Stützskelett aus Stahl trägt die Außenwände des Gebäudes. Deshalb sind im Innern keine Metallträger mehr notwendig, wodurch die Abstände zu den spannungsführenden Anlagen ausreichend groß bleiben. „Die Wände und Decken sind außerdem allseitig mit Stahl verkleidet, damit keine Funkwellen oder andere Störungen von außen eindringen. Das ermöglicht hochpräzise Messungen“, erläutert Oliver Pischler, Assistenzprofessor am Institut.

Ein Mensch mit einer Brille schaut in die kamera.

Die Wände und Decken sind allseitig mit Stahl verkleidet, damit keine Funkwellen oder andere Störungen von außen eindringen. Das ermöglicht hochpräzise Messungen.

Oliver Pischler von der TU Graz

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führt die Geräuschetests durch

Geräusche-Test: Bizarre Formen im Labor

In der Laborhalle lassen sich Gleich- und Wechselspannung erzeugen, aber auch Stoßspannungen, die für den Laien wie Blitze aussehen. Das technische Design ist faszinierend: Dicke Rohre, glänzende Metallringe und riesige Kugeln hängen im Raum. Am Ende der Halle steht ein Transformator. „Er erzeugt die für die Versuche benötigte Höchstspannung“, sagt Oliver Pischler. Die Anlage reicht bis fast unter die Decke. Mit ihren Röhren, Ringen und Lamellen könnte sie in einem Science-Fiction-Film als Kulisse dienen. Hier in Graz ermöglicht sie komplizierte wissenschaftliche Experimente.

Die Amprion-Ingenieure besprechen mit Oliver Pischler und den Ingenieuren von TÜV Hessen die Reihenfolge der Versuche. Die Testreihen legen sie breit an. Bei einigen Experimenten prüft das Team, wie die Geräusche variieren, wenn die Höhe der Spannung zu- oder abnimmt. Die Experten wollen aber auch wissen, wie sich der Schallpegel ändert, während die Leiterseile an der Luft trocknen.

Eine Wissenschaft für sich

„Leiterseile sind eine Wissenschaft für sich. Ihre Oberflächen sind anfangs noch sauber und glatt. Es bilden sich leicht Tropfen, die elektrische Entladungen begünstigen“, erklärt Steffen Riebling. Das wiederum verursacht Geräusche. Leiterseile, die seit Jahren in Gebrauch sind, haben hingegen eine feine Korrosionsschicht. Diese reduziert die Tropfenbildung. Diesen Effekt nutzen die Hersteller. Neue Leiterseile bestrahlen sie deshalb mit Sand oder verwenden spezielle Beschichtungen, die die Oberflächen rauer machen.

Die Art des Geräuschs hängt aber nicht nur von den Tropfen ab, sondern auch von der elektrischen Randfeldstärke. „Sie ergibt sich aus der Anordnung und dem Durchmesser der Leiterseile, dem Abstand zum Boden und der Höhe der anliegenden Spannung“, sagt Amprion-Ingenieur Schröder. Vergrößert man den Durchmesser eines Leiters, ist die Randfeldstärke geringer und die Lautstärke der Geräusche ebenfalls.

Mit einem Trick lässt sich der Durchmesser des Leiterseils erhöhen, ohne dass es mehr wiegt. Wie das funktioniert, zeigt Steffen Riebling an einem durchtrennten Leiter: „Im Innern verlaufen statt dünnen Drähten Röhrchen aus leichtem Aluminium.“ Dadurch vergrößert sich der Durchmesser um ca. 15 %. Da die Röhrchen hohl und nur mit Luft gefüllt sind, bleibt das Gewicht gleich.

Das Bild zeigt einen Mann mit weißem Hemd

Vergrößert man den Durchmesser eines Leiters, ist die Randfeldstärke geringer und die Lautstärke der Geräusche ebenfalls.

Dr. Benjamin Schröder

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Ingenieur bei Amprion

Auswertungen der Schallpegel

Ob ein auf diese Art konstruiertes Leiterseil tatsächlich weniger Geräusche verursacht, soll die erste Versuchsreihe an diesem Tag beantworten. Nach jedem Test beugen sich die Experten gemeinsam über den Bildschirm. „Wir sehen dort, welcher Schallpegel bei welcher Frequenz des Geräuschs auftritt“, sagt Pascal Sames von TÜV Hessen. Der Ingenieur hat sich bereits im Studium mit den Schallemissionen von Freileitungen befasst und arbeitet heute als Gutachter auf diesem Gebiet. Die Ergebnisse der Geräusche-Tests helfen Amprion bei der Auswahl von Leiterseilen für Leitungsprojekte. Bei Baumaßnahmen an bestehenden Leitungen können optimierte Leiter eingesetzt werden, die keine zusätzliche Gewichtsbelastung mit sich bringen.

Der Mann trägt ein dunkelblaues T-Shirt mit einem weißen Aufdruck, der nur teilweise zu erkennen ist. Er sitzt und gestikuliert mit seinen Händen, die im Vordergrund des Bildes platziert sind. Seine Arme sind angewinkelt und seine Hände sind offen. Der Hintergrund ist unscharf und zeigt zwei große, rote Rohre, die an Trainingsgeräten erinnern könnten, möglicherweise sogenannte "Wooden Dummies", die in Kampfsportarten wie Wing Chun verwendet werden. Die Rohre sind mit einer glänzenden Oberfläche dargestellt und scheinen aus einem harten Material zu bestehen. Die Farben des Bildes sind warm und erdig, mit einem Hauptaugenmerk auf den Kontrasten zwischen dem blauen T-Shirt und den roten Rohren. Das Licht fällt von vorne auf den Mann und betont seine Gesichtszüge und Hände. Die Gesamtwirkung des Bildes ist dynamisch und vermittelt den Eindruck von Bewegung und Energie.

Wir sehen, welcher Schallpegel bei welcher Frequenz des Geräuschs auftritt.

Pascal Sames

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ist mit TÜV Hessen an den Geräuschetests beteiligt

Im Hochspannungslabor machen sie eine kurze Pause. Helfer befestigen derweil vier neue Leiterseile. Laborzeit ist wertvoll. Deshalb schließen sich schon bald darauf die Türen und der Warnton erklingt. Die nächste Testreihe beginnt.