Warum Netzbetreiber auf eigene Power-to-Gas-Anlagen setzen, erläutert Dr. Hans-Jürgen Brick, kaufmännischer Geschäftsführer von Amprion, in diesem Meinungsbeitrag.

Der Ausbau erneuerbarer Energien stockt. Deutschland droht seine Klimaschutzziele zu verfehlen. Umso wichtiger wäre es, Strom aus erneuerbaren Quellen so effizient wie möglich zu nutzen. Das bedeutet: Jede Kilowattstunde grüner Strom, die wir erzeugen, sollte auch unserer Volkswirtschaft zugutekommen. Power-to-Gas-Anlagen sind ein wichtiger Schlüssel hierzu – erst Recht in den Händen von Netzbetreibern.

Dr. Brick, stehend.

Dr. Hans-Jürgen Brick

Warum setzen wir auf die Power-to-Gas-Technologie? Ganz einfach: aus unserer Verantwortung für die Systemstabilität und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen führt dazu, dass es immer häufiger Zeiten gibt, in denen das Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien die Stromnachfrage oder die Transportkapazitäten des Stromnetzes übersteigt. In solchen Fällen müssen wir Netzbetreiber bislang Windräder und Solaranlagen abregeln. Dies ist mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Im vergangenen Jahr standen hier 1,4 Milliarden Euro auf der Rechnung der Stromkunden. Wir sollten daher alles tun, damit in naher Zukunft dort nicht 4,1 Milliarden stehen.

Power-to-Gas-Anlagen können die wachsenden Mengen an Strom aus Erneuerbaren Energien, der nicht im Stromsystem integriert werden können, künftig durch Elektrolyse in grünen Wasserstoff umwandeln - ein wichtiger Rohstoff, den wir in vielen Sektoren einsetzen können. Die Power-to-Gas-Technologie wird damit eine Schlüsselrolle beim Umbau unseres Energiesystems einnehmen.

Dynamik der Netzzustände steigt

Welchen Mehrwert können Netzbetreiber dabei leisten? Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien schwankt wetterabhängig. Die Dynamik und die Vielfalt der Netzzustände steigen künftig weiter an. Mitunter sekündlich wechselt, wie viel Strom aus erneuerbaren Energien in das System integriert werden kann. Es gilt also nahezu in Echtzeit zu entscheiden, wie viel Strom in Wasserstoff umgewandelt werden soll. Diese Entscheidungen können wir Netzbetreiber treffen, weil wir permanent Einspeisung, Verbrauch und Netzsituation im Blick haben – ob im Verteil- oder Transportnetz. Das ist unser gesetzlicher Auftrag und unsere Verantwortung. Wir können damit Power-to-Gas-Anlagen systemoptimiert fahren – und so einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die CO2-Emissionen effizient zu senken.

Im regulierten Geschäft stellen wir auch den diskriminierungsfreien Zugang zu unserer Infrastruktur sicher – ohne eine neue Umlage. Wir sollten nun die Sektorenkopplung auf Systemebene angehen. Der Netzentwicklungsplan 2030 sieht einen Bedarf von bis zu drei Gigawatt Power-to-Gas-Anlagen vor – ein Bruchteil dessen, was Studien als einen möglichen Gesamtbedarf für 2050 sehen. Der Markt soll und muss hier zu seinem Recht kommen und ebenfalls Lösungen entwickeln können. Ein Nebeneinander schließt sich nicht aus – erst Recht nicht, wenn der Staat einen systemdienlichen Einsatz von Anlagen im Markt anreizen würde. Wenn wir aber weiter nur darüber diskutieren, wer sinnvolle Innovationen überhaupt umsetzen darf, werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Der Ball für die systemdienliche Sektorenkopplung liegt auf dem Elfmeterpunkt, jetzt muss er nur noch „ins Netz“.

Dieser Meinungsartikel ist zuerst als  Gastbeitrag im Energate Messenger erschienen.


Weitere Informationen zum Thema