Nachgefragt - Erdkabel
Amprion stellt sich der Herausforderung, neue Erdkabelverbindungen so wirtschaftlich und bodenschonend wie möglich zu bauen. Worauf es dabei ankommt, erklären unsere Spezialisten aus den Fachbereichen.
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Erdverkabelung?
Der Gesetzgeber hat im Dezember 2015 den Rahmen für die Erdverkabelung neu ausgestaltet. Dabei wird deutlich zwischen Gleich- und Wechselstrom unterschieden. Gleichstromverbindungen in neuen Trassen sollen zukünftig vorrangig als Erdkabel gebaut werden. Bei Amprion betrifft das die Projekte ALEGrO und A-Nord. Unsere Gleichstromleitung Ultranet bildet eine Ausnahme, weil wir hierfür größtenteils vorhandene Masten nutzen können und damit so gut wie kein Neubau erforderlich ist – weder über- noch unterirdisch. Im Wechselstrombereich bleibt die Freileitung der Standard. Bundesweit sollen jedoch Teilabschnitte von elf Pilotvorhaben unter bestimmten Voraussetzungen erdverkabelt werden. Amprion ist an vier dieser Projekte beteiligt: Einen Kabelabschnitt – bei Raesfeld in Nordrhein- Westfalen – haben wir bereits realisiert, ein weiterer wird aktuell gebaut. Bei drei weiteren Pilotprojekten prüft Amprion derzeit die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Teilverkabelung.
Warum lassen sich nicht alle neuen Wechselstromleitungen als Erdkabel bauen?
Entscheidend für den Umfang von Wechselstromerdkabeln in unserem Netz sind die Gesetze der Physik. Und die führen dazu, dass sich Kabel im Betrieb anders verhalten als Freileitungen. Ein entscheidender Aspekt ist das richtige Maß an Blindleistung: Zu wenig Blindleistung führt zu unzulässig tiefen Spannungen, zu viel Blindleistung bedingt zu hohe Spannungen. Erdkabel erzeugen im Vergleich zu Freileitungen so viel Blindleistung, dass aufwändige Kompensationsmaßnahmen nötig sind. Diese Maßnahmen führen zu komplizierten Wechselwirkungen. Deshalb ist die maximale Länge von Wechselstromerdkabeln begrenzt. All diesen Themen widmen wir uns – durch Studien und Erfahrungen, die wir in unseren Pilotprojekten mit dem Betrieb von 380-kV Wechselstromkabeln sammeln. So finden wir heraus, wie Freileitungen und Erdkabel im Übertragungsnetz am besten zusammenspielen. Denn eines ist für uns entscheidend: Die hohe Verfügbarkeit und Sicherheit des Übertragungsnetzes darf nicht beeinträchtigt werden.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Verkabelung von Wechselstromverbindungen bereits gesammelt?
Im vermaschten Verbundnetz hat Amprion mit dem Pilotprojekt im münsterländischen Raesfeld Pionierarbeit geleistet. Dort haben die Kollegen einen Leitungsabschnitt von gut drei Kilometern verkabelt; seit Mitte 2016 läuft der Testbetrieb – bisher reibungslos. Die gewonnenen Erfahrungen nutzen wir schon jetzt bei der Planung und dem Bau unserer Kabelabschnitte in Borken und Legden. Wie Raesfeld gehören sie zur Leitung Diele – Niederrhein, dem EnLAG-Projekt Nr. 5. Besonders solche Strecken mit Freileitungs- und Erdkabelabschnitten stellen uns derzeit vor neue technische Herausforderungen. Denn beide Technologien haben unterschiedliche elektrotechnische Charakteristiken. Fest steht schon jetzt: Die Verkabelung von Wechselstromverbindungen eignet sich nur für kurze Strecken und ist deutlich kostenintensiver als eine Freileitung.
Wie kommt Amprion bei der Erdverkabelung von Gleichstromverbindungen voran?
Amprion ist für zwei Gleichstromverbindungen verantwortlich, für die seit 2015 der Erdkabelvorrang gilt: ALEGrO ist ein grenzüberschreitendes Kabel, das ab 2020 Oberzier in Deutschland und Lixhe in Belgien verbinden soll. Die technischen Planungen haben wir abgeschlossen. Das behördliche Genehmigungsverfahren hat im April 2017 begonnen. Unser zweites Gleichstromprojekt ist A-Nord. Es wird vorrangig als Erdkabel geplant und soll künftig Windstrom aus dem Norden Niedersachsens nach Nordrhein-Westfalen bringen. Bei A-Nord nutzen wir die Erfahrungen, die wir bei der Planung von ALEGrO gewonnen haben. Dies betrifft auch den Dialog mit der Öffentlichkeit: Wir informieren frühzeitig und werden schon vor dem Genehmigungsverfahren Anregungen und Hinweise zu möglichen Trassenverläufen aufnehmen. So wollen wir erreichen, dass A-Nord so schnell wie möglich gebaut werden kann.
Was unterscheidet die Erdkabel an Land von Stromkabeln auf See?
Der größte Unterschied zwischen Land- und Seekabeln liegt in der Länge der einzelnen Kabelabschnitte sowie in der Anzahl und Fertigung der Verbindungsmuffen. Seekabel werden direkt nach der Produktion auf spezielle Schiffe geladen und von dort aus verlegt – inklusive ab Werk vormontierter Muffen. Die Schiffe können Kabel mit Längen von vielen Kilometern laden. Dementsprechend benötigt man nur wenige Verbindungsstücke. An Land hingegen benötigt man für eine vergleichbare Strecke etwa das Vierzigfache an Muffen pro Phase. Denn dort bringen Lkw die Kabel auf Trommeln von der Fabrik zur Baustelle. Ein Schwerlast-Lkw kann eine Trommel mit maximal 1,3 Kilometern Kabel transportieren. Auf der Baustelle werden dann die einzelnen Kabelabschnitte verlegt, die Muffen montiert und dann zu einer Kabelanlage verbunden. Dadurch ist das Verlegen von Kabeln an Land aufwändiger – und zudem die Anzahl an potenziellen Fehlerquellen erhöht.
Wie wirkt sich die Erdverkabelung auf die Umwelt aus?
Wenn wir Erdkabel in offener Bauweise verlegen, achten wir auf einen sensiblen und sorgfältigen Umgang mit dem Boden und seinem Wasserhaushalt. Für jedes unserer Erdkabelprojekte erarbeiten unabhängige Gutachter umfangreiche Umweltstudien. Wertvolle Erfahrungen konnten wir hierzu in Raesfeld sammeln. Bei unserem Erdkabel-Piloten haben wir von Beginn an auf eine enge Kooperation mit den örtlichen Landwirten gesetzt und den Bau bodenkundlich begleiten lassen. Bereits im Vorfeld haben Experten untersucht, ob sich die Wärme der Erdkabel negativ auf die Ernteerträge auswirken kann. Diese Studien haben dafür keinen Anhaltspunkt geliefert. Nach dem Bau dürfen auf einem festgelegten Schutzstreifen oberhalb der Erdkabeltrasse weder Gebäude noch tiefwurzelnde Bäume und Sträucher stehen. Tiere können nach wie vor weiden und Felder bestellt werden.