Energiewende – wer soll (und kann) das bezahlen? Diese Frage prägte den Amprion-Kundentag 2024 in Mainz. Ging es in den letzten Jahren vor allem um die technische Transformation des Energiesystems und Versorgungssicherheit, so stand vor dem Hintergrund der schwachen Konjunktur in Deutschland diesmal die Bezahlbarkeit des Netzausbaus im Fokus.

Die jährlich durchgeführte Kundenbefragung zeigt es: Auch 2024 sind die Amprion-Kunden wieder sehr zufrieden mit „ihrem“ Übertragungsnetzbetreiber. Wesentlich weniger zufrieden sind viele Kunden allerdings mit ihrer ökonomischen Lage – und daran hat auch das Thema Netzentgelte einen Anteil. Denn während das Vertrauen der Industrie in den Wirtschaftsstandort Deutschland immer mehr schwindet, steigt das Investitionsvolumen der Übertragungsnetzbetreiber auf einen Rekordwert von 320 Milliarden Euro bis zum Jahr 2045. Das bleibt nicht ohne Folgen: Schon in den Jahren 2013 bis 2023 waren die Netzentgelte laut dem Bericht des Bundesrechnungshofs vom 7. März 2024 stark gestiegen, und besonders betroffen waren die Industriekunden. Für sie gingen die Kosten um 84,4 Prozent binnen zehn Jahren nach oben. Inzwischen ist ebenfalls bekannt, dass es auch im Jahr 2025 wieder einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr geben soll – um durchschnittlich 3,4 Prozent. Das haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber am 1. Oktober in einer gemeinsamen Mitteilung bekanntgegeben. Allerdings ist dieser Durchschnittswert wenig aussagekräftig. Je nach Spannungsebene werden manche Kunden eine Kostensteigerung, andere hingegen eine Entlastung erfahren

Letzter Kundentag mit Dr. Hans-Jürgen Brick als CEO

Beim diesjährigen Kundentag, an dem der scheidende Amprion-CEO Dr. Hans-Jürgen Brick letztmals teilnahm (von den rund 130 Gästen gab es langen Beifall zum Abschied) war daher allen klar: Es ist höchste Zeit, im Amprion-Kundenkreis zu reden – über die Annahmen im Netzentwicklungsplan, ihre Umsetzbarkeit und darüber, wie perspektivisch steigende Netzentgelte möglichst „verursachergerecht“ auf alle Netzkunden umgelegt werden können. „Eine Diskussion, bei der Sie es eigentlich nur falsch machen können“, sagten der neue Amprion-CCO Dr. Christoph Müller bei seiner Kundentags-Premiere und Karsten Bourwieg, Vorsitzender der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur, unisono. Und doch: Man müsse sie führen.

In den Pausen zwischen den Vorträgen wurde lebhaft diskutiert – in diesem Jahr besonders über die Kosten des Netzausbaus und ihre "gerechte" Aufteilung. Hier unterhält sich Zoltan Toth (M., Amprion) mit Matthias Holzenkamp (li.) und Werner Hoffmann (re., beide Statkraft Markets).

Klar ist: Diese Kosten, die auf die Verbraucher umgelegt werden, belasten das wirtschaftliche Wachstum zusätzlich. Entlastungen wie der Bundeszuschuss zu den Netzentgelten sind zwischenzeitlich wieder eingestellt worden.

Zunächst standen aber andere Fragen im Mittelpunkt. Auf der grundsätzlichen Ebene ging Prof. Dr. Andreas Löschel, Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, auf die Frage ein, ob Energiepolitik und Ökonomie einander widersprechen. Seine Antwort: Nein – wenn sich Klima- und Energiepolitik auf einen Ordnungsrahmen und „richtige Preise“ fokussieren.

Bei der „ökologischen Frage“ sei die Marktwirtschaft nicht das Problem, sondern vielmehr „Hebel zur Lösung“, sagte Löschel. Klimapolitik müsse gezielt den CO2-Preis flankieren, denn nur so könne dieser seine volle Wirkung entfalten und die ökologische Transformation gelingen.

Vorschlag für einen „Alternativpfad“

Doch wie sieht es mit dem großen Thema Bezahlbarkeit im energiewirtschaftlichen Dreieck aus, das viele Amprion-Kunden besonders umtreibt? Wie kann man Kosten vermeiden und die Unvermeidlichen gerecht verteilen? Zur Begrenzung der Kosten brachte Dr. Dr. Alexander Weiss (McKinsey & Company) einen Alternativpfad zum „Osterpaket“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2022 ins Spiel. Dieser basiert maßgeblich auf dem Ansatz, wasserstofffähige Gaskraftwerke deutlich stärker zuzubauen als von der Bundesregierung vorgesehen. So könne auf der anderen Seite der Zubau von Solar-, On- und Offshore-Anlagen erheblich (im Falle der PV-Anlagen um 53 Prozent) reduziert werden. Damit sinke auch der Bedarf an Netzausbau und letztlich die Haushalts-Strompreise. Inklusive der Kosteneinsparungen für den Anlagen-Zubau würden rund 150 Milliarden Euro weniger Investitionen bis 2035 benötigt als im „Osterpaket“, sagte Weiss.

Ob dieser Alternativpfad realistisch ist, daran gab es allerdings im Auditorium erhebliche Zweifel – schließlich lässt sich der Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke in der genannten Größenordnung nicht von jetzt auf gleich umsetzen, selbst wenn er politisch gewollt wäre.

Großen Raum beim Kundentag nahm die Verteilung der Kosten auf die verschiedenen Netznutzer ein. Ohne die Energiewende abwürgen zu wollen, werde man doch auch die Einspeiser der erneuerbaren Energien an den Kosten beteiligen müssen, sagte Karsten Bourwieg von der Bundenetzagentur. Er stellt sich ebenso wie Amprion-CCO Dr. Christoph Müller auf „herausfordernde Diskussionen“ mit einspeisenden Kunden ein.

Nicht alle Kosten den Kunden aufbürden

Auch Kostentreiber wurden in den Blick genommen: Zum Beispiel das Engpassmanagement, zu dem auch das Vorhalten von Kohlekraftwerksreserven zählt. Die Anlagen werden älter, der Revisionsbedarf und damit die Kosten steigen. Hier ist der Standpunkt von Amprion im Sinne der Entlastung der Kunden klar: In der derzeitigen Transformationsphase, in der die Kosten für Kapital und Engpassmanagement steigen, sollten die Netzkunden nicht beides gleichermaßen tragen müssen. Die Kosten fürs Engpassmanagement sollten vorübergehend anders, zum Beispiel staatlich, finanziert werden.

Wenn dies Realität würde, wäre das gewiss eine willkommene Entlastung für die Amprion-Netzkunden in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.