Eric Bialluch und Christian Hochstrat sind Monteure mit Spezialaufträgen – und sorgen dafür, dass tonnenschwere Schaltgeräte in Umspannanlagen eine neue Heimat finden. Ihr Standort: das Technikzentrum von Amprion in Wesel.
Die Mittagssonne steht über der Amprion-Umspannanlage im hessischen Bischofsheim. Am Haken eines Krans mitten im Schaltfeld schwebt ein sogenannter Doppelschaltkopf. Fünf Meter lang, mit zwei schirmförmigen Kammern aus Porzellan. Eric Bialluch (23) hat seinen Schutzgurt angelegt und fährt mit einem Hubsteiger in sechs Meter Höhe hinauf, dem Schaltkopf entgegen. Der Techniker wird ihn gleich so auf eine Polsäule montieren, dass sich eine T-Form ergibt. Drei dieser Schalterpole vom Typ Siemens 3AP2-401 werden am Ende des Tages parallel im Schaltfeld stehen. Ihre Aufgaben: das Schalten von Lasten im Netz oder die sichere Abschaltung von Kurzschlüssen – bei Spannungen von bis zu 420.000 Volt.
Eric Bialluch ist extra für diesen Job mit seinem Kollegen Christian Hochstrat (49) nach Bischofsheim gefahren. Nicht zu vergessen Peter Haggert (61), der die Komponenten des Leistungsschalters am Morgen mit dem LKW aus dem niederrheinischen Wesel gebracht hat. Dort, im Technikzentrum von Amprion, starten die Spezialisten regelmäßig, um sogenannte Großgeräte der Primärtechnik in Umspannanlagen zu montieren oder zu demontieren. Zu ihnen gehören auch Leistungsschalter. „Sie braucht man, damit das Höchstspannungsnetz sicher und stabil arbeitet“, sagt Eric Bialluch. Weil in Zeiten der Energiewende überall Überspannanlagen modernisiert oder neu gebaut werden, sind seine Kollegen und er im ganzen Netzgebiet von Amprion unterwegs. Vom nördlichen Niedersachsen bis zu den Alpen.
Was das Technikzentrum leistet
Das Technikzentrum in Wesel ist ein typischer Industriebau aus den 70er-Jahren. Gelegen am Ortsrand, gleich neben einer Umspannanlage. Das Besondere ist die Kombination aus Lager- und Werkstätten: Auf einer Fläche von zwei Fußballfeldern lagert alles, was das Herz von Hochspannungstechnikern höherschlagen lässt: Leistungs-, Trenn- und Erdungsschalter, Messwandler und Überspannungsableiter. Gestartet als Sammellager für neue und gebrauchte Schaltgeräte, ist das Technikzentrum heute Drehscheibe für deren schnellen Einsatz auf Baustellen und bei Notfällen. Im September 2024 feiert es 50-jähriges Jubiläum. Viele Geräte werden dort vor dem ersten Einsatz auf Herz und Nieren geprüft. Ebenso gebrauchte Geräte, bevor sie in anderen Umspannanlagen wieder eingesetzt werden. Das gilt auch für den Leistungsschalter vom Typ Siemens 3AP2-401, den Eric Bialluch und Christian Hochstrat in Bischofsheim montieren.
Amprion wartet Schaltgeräte selbst
Zwei Wochen zuvor stehen die Männer morgens in der Werkstatt des Technikzentrums. Vor ihnen hängt der tonnenschwere Leistungsschalter für Bischofsheim. Äußerlich ist er gut erhalten. Eric Bialluch schließt ein Messgerät an. Er hat seine Ausbildung bei Amprion absolviert. Sein Mentor Christian Hochstrat schaut entspannt zu. Die Spezialisten wissen: Wenn der Übergangswiderstand im Normbereich ist, müssen sie das Gerät nicht komplett auseinanderbauen. Dann funktioniert der Schaltvorgang, wie er soll und der Schalter befindet sich in einem guten Zustand. Die Messung ergibt: Der Wert passt. Ein zufriedenes Lächeln huscht über Hochstrats Gesicht. Nur noch ein paar routinierte Handgriffe, Auslösesysteme und Meldeschalter überprüfen, Korrosionsschutz auftragen – dann ist der Leistungsschalter wieder einsatzbereit.
Dass Amprion komplexe Schaltgeräte für das Höchstspannungsnetz selbst wartet und für die Wiederverwendung überholt, ist einzigartig in der Branche. Besonders, wenn man bedenkt, dass einige Leistungsschalter und andere Großgeräte schon viele Betriebsjahre auf dem Buckel haben. „Andere Übertragungsnetzbetreiber würden diese wohl zur Überholung zum Hersteller schicken – falls die überhaupt noch angeboten wird“, sagt Michael Neuenhaus, stellvertretender Leiter des Technikzentrums. Amprion spart Zeit und Geld. „Das Technikzentrum von Amprion in Wesel ist einzigartig in Deutschland. Durch das hohe Maß an Eigenleistung haben wir die Kompetenz, Reparaturen und Instandhaltungen wichtiger Betriebsmittel kurzfristig durchzuführen“, wird Amprion-CTO Dr. Hendrik Neumann wenige Tage später beim Festakt sagen.
Ein Leistungsschalter findet eine neue Heimat
Je nach Zustand sind die gebrauchten Großgeräte mal kürzer, mal länger in der Werkstatt. Der Leistungsschalter für Bischofshofen ist schnell wieder im Lager und bereit zur Auslieferung. „Hat ja noch nicht mal Halbzeit“, sagt Christian Hochstrat, der Routinier im Team. Auf 40 Jahre Betriebsdauer ist Siemens 3AP2-401 – wie alle primärtechnischen Großgeräte – ausgelegt, 14 Jahren davon hat er in der Amprion-Umspannanlage im niedersächsischen Lingen-Hanekenfähr zugebracht. Eric Bialluch und Christian Hochstrat haben den Schalter einige Wochen zuvor dort abmontiert und 380 Kilometer nach Wesel bringen lassen. Der Grund: Amprion modernisiert die Umspannanlage in Lingen-Hanekenfähr, um sie für die Energiewende leistungsfähiger zu machen. „Der Leistungsschalter war für die künftig dort benötigte Kurzschlussleistung nicht ausgelegt“, sagt Michael Neuenhaus. Leistungsschalter müssen im Kurzschlussfall sicher den Stromfluss trennen können. Für den Leistungsschalter aus Lingen-Hanekenfähr hat sich schnell eine neue Heimat gefunden: die Umspannanlage Bischofsheim.
Damit die Energiewende vorankommt
Dort angekommen, hat der Leistungsschalter eine 700 Kilometer lange Reise hinter sich. Und mit ihm das Team um Eric Bialluch und Christian Hochstrat. Sie sind Monteure mit Spezialaufträgen, aber auch Reisebegleiter für Schaltgeräte auf Heimatsuche. Sie und ihre Kollegen leisteten somit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit, „das Technikzentrum trägt auch zu mehr Nachhaltigkeit im Netzbetrieb bei“, so Geschäftsführer Neumann auf der Jubiläumsfeier.
In Bischofsheim haben sie an diesem Tag die Montage abgeschlossen. Christian Hochstrat blickt zufrieden auf das nun wieder vollständige Schaltfeld der Umspannanlage. „Die meisten Leistungsschalter haben wir selbst aufgestellt“, sagt er. Jedenfalls die mit Schaltkammern aus Porzellan. Neuere Typen sind aus Verbundstoffen hergestellt, die errichten in der Regel die Hersteller. Am liebsten sei er in Bayern unterwegs, erzählt Hochstrat. Die Leute, die Landschaft – das passt zu ihm. Nach Norden geht es seltener. Aber das könnte sich ändern, wenn Amprion weitere Offshore-Windparks ans Übertragungsnetz anbinde, ahnt er. „Ich bin gespannt, was da noch kommt.“