Auf dem Kundentag von Amprion vertritt Markus Scheuren die Perspektive der Chemieindustrie zum Thema Klimaneutralität. Das BASF-Werk Ludwigshafen mit 35.000 Beschäftigten ist direkt an das Höchstspannungsnetz angeschlossen. Das Unternehmen will klimaneutral werden. Dieses Ziel verbindet Industrie, Politik und Übertragungsnetzbetreiber wie Amprion. Der Weg dorthin sei allerdings noch nicht klar, sagt Martin Scheufen, Leiter Systementwicklung von Amprion. Viele Fragen seien noch zu beantworten: Wie viele Elektroautos werde es 2045 geben? Wie hoch sei der Bedarf an Wasserstoff? Wie hoch die maximale Stromnachfrage? Antworten erhofft sich Amprion unter anderem von der Industrie. „Wenn alle Unternehmen – wie BASF – sagen könnten, was sie in zehn, 15 Jahren vorhaben, wäre das ein Riesengewinn für die Genauigkeit der Planungen.“ Jede Information helfe Amprion weiter, um den Bedarf für den weiteren Netzausbau in seiner Regelzone zu ermitteln. „Dann hätten wir schon eine relativ gute Glaskugel“, sagt er schmunzelnd.
Plädoyer für eine „robuste“ Systemplanung
Scheufen wünscht sich eine „robuste“ Systemplanung. Und meint damit: Investitionen in das Stromnetz werden langfristig geplant. Was aber, wenn sich Rahmenbedingungen ändern? „Wer von uns weiß, auf welchem Entwicklungspfad sich dieses Land oder Europa befinden?“, fragt er im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Wie müsste ein Energiesystem geplant werden, das sich auf verschiedene Zukunftsszenerien einstellen kann? Es würden Mehrkosten für eine solche „robuste“ Planung entstehen, weil es zum Beispiel mehr Redundanzen im System geben müsse. Wäre die Gesellschaft bereit, sie zu tragen? Diese Diskussion möchte Martin Scheufen anstoßen.
Immerhin: Das klimaneutrale Energiesystem der Zukunft ist nur integriert zu denken. Darin sind sich alle Teilnehmer*innen einig. „Wir müssen davon wegkommen, die Netze für Strom, Erdgas, Wasserstoff und Wärme unabhängig voneinander zu planen“, sagt Friederike Wenderoth, Teamleiterin Infrastruktur und Gesamtsystem bei der Deutschen Energie-Agentur (dena). „Entscheidend ist, dass wir einen gemeinsamen Rahmen für die verschiedenen Infrastrukturen entwickeln.“ Das würde auch Unsicherheiten bei der Systemplanung vermindern. Sie stellt den Teilnehmer*innen des Kundentags die Ergebnisse der dena-Netzstudie III vor. Diese Studie sei als ein sehr breiter Stakeholder-Dialog angelegt, um möglichst viele Vorstellungen zu einem klimaneutralen Energiesystem der Zukunft zu integrieren. Die dena-Vertreterin plädiert für einen Systementwicklungsplan, um ein gemeinsames Leitbild für das Energiesystem von morgen zu formulieren. Dieses Leitbild verändere sich allerdings über die Jahre. „Es gibt nicht das eine Klimaneutralitätsnetz, das wir planen – und dann ist alles fertig.“ Vielmehr geht sie von einem Planungsprozess aus, der sich immer neuen Vorstellungen anpassen müsse. „Davon können wir uns nicht befreien.“