Effizient auf der Langstrecke
Ultranet nimmt als erste der drei großen Nord-Süd-Gleichstromverbindungen Gestalt an. Das gilt auch für die Konverter, die den verlustarmen Stromtransport über große Entfernungen ermöglichen werden. Amprion,TransnetBW und Siemens planen die Hightech-Anlagen gemeinsam.
Der Bleistift fliegt über das Papier. „Das hier ist ein Schalter“, sagt Jochen Haude, „und das ein Kondensator.“ Mit kurzen Strichen zeichnet der Ingenieur Schaltsymbole und Strombahnen. „In der einen Schalterstellung fließt der Strom durch den Kondensator, in der anderen Stellung fließt er am Kondensator vorbei“, erklärt er. Ein einzelner Schalter besteht dabei aus zwei leistungsstarken Transistoren und zwei Dioden. Diese Elemente bilden zusammen mit einem Steuerteil ein sogenanntes Submodul. „Die Zusammenschaltung vieler Submodule ist das Herzstück eines Konverters.“ Haude legt den Bleistift zur Seite. „Technisch eigentlich eine verblüffend gute Idee aus bekannten Bauteilen.“
Doch was diese Submodule leisten, ist bemerkenswert. Ohne sie ließe sich eines der Schlüsselprojekte der Energiewende nicht realisieren: Ultranet ist eine von drei großen Nord-Süd-Gleichstromverbindungen in Deutschland, die vor allem Windstrom aus dem Norden nach Süddeutschland bringen sollen. Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW planen die 340 Kilometer lange „Stromautobahn“ zwischen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Auf der Langstrecke ist der Transport großer Leistung mittels Gleichspannung besonders vorteilhaft – insbesondere weil die Übertragung verlustarm und besser steuerbar ist. Da das übrige Netz aber mit Wechselspannung betrieben wird, muss die Leistung zunächst in Gleichspannung umgewandelt werden – und zwar auf Höchstspannungsniveau. Erst dann kann der Strom effzient über die Langstrecke transportiert werden. Gleiches gilt, wenn der Strom anschließend wieder ins Wechselstromnetz eingespeist wird.
Konverter - Hightech für die Energiewende
Diese Aufgabe übernehmen Konverter am Anfang und Ende der Ultranet-Trasse. In jedem Ultranet-Konverter kommen deshalb fast 6.000 Submodule zum Einsatz, zu jeweils drei Strängen in Reihe geschaltet und zu sogenannten Umrichtern zusammengefasst. Ergänzt werden sie von Transformatoren und Kühlanlagen, Spulen und mechanischen Schaltgeräten. Zusammen können sie zwei Gigawatt Leistung übertragen – eine solche Anlage spielt gewissermaßen in der Königsklasse der Energieübertragung. „Damit lässt sich der Strom für etwa zwei Millionen Menschen transportieren“, sagt Jochen Haude. Er leitet bei Amprion die Abteilung Primärtechnik und Betriebsmittel und ist mit seinem Team unter anderem für Konvertertechnik zuständig. Die hohe Übertragungsleistung von Ultranet ist nötig, um den Wegfall von Kernkraft werken in Baden-Württemberg zu kompensieren, die in wenigen Jahren vom Netz genommen werden.
Submodule: Schaltzentralen des Konverters
Die Elektronik im Konverter muss Außergewöhnliches leisten: Es gilt, die Submodule nach exakt berechneten Mustern mikrosekundengenau elektronisch umzuschalten. „Jedes einzelne Submodul wird etwa 150-mal pro Sekunde umgeschaltet“, erläutert Jochen Haude. „Jeder Schaltzeitpunkt eines jeden Submoduls wird von zentralen Steuereinheiten permanent berechnet.“ Vor allem diese Steuereinheiten machen die Konverter zu Hightech- Anlagen. Etwa eine Milliarde Euro investieren die Übertragungsnetzbetreiber in die Ultranet- Verbindung – inklusive der beiden Konverter. Voraussichtlich werden Planung, Genehmigung und Bau vier bis fünf Jahre in Anspruch nehmen. Mit Planung und Bau haben Amprion und TransnetBW im Herbst 2015 Siemens beauftragt. Der Technologiekonzern verfügt über große Erfahrung mit Hochspannungs- Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). „Wir haben mit Siemens einen versierten Partner an unserer Seite“, sagt Amprion- Geschäftsführer Dr. Klaus Kleinekorte. Weltweit hat Siemens bisher mehr als 40 HGÜ- Leitungen in Betrieb genommen. Erst im September 2015 gingen Konverter in Spanien und Frankreich ans Netz.
Eine Anlage – viele Vorteile
Erstmals in Deutschland soll bei den Ultranet- Konvertern die sogenannte Vollbrückentechnologie im Gigawatt- Bereich zum Einsatz kommen. Dies ist eine besondere Ausprägung der sogenannten VSC-Technologie. VSC steht für „Voltage Sourced Converter“, auf Deutsch: „spannungsgeführter Konverter“. Rund ein Dutzend Anlagen mit VSC-Technologie sind in den vergangenen Jahren allein in Europa errichtet worden. Hiermit lässt sich auch die Netzspannung regulieren und stabilisieren – eine Funktion, die bislang vor allem konventionelle Kraftwerke übernommen haben. Im Notfall können die Konverter auch den Wiederaufbau des Netzes nach einem Stromausfall unterstützen. Die Technologie erlaubt es außerdem, genau einzustellen, in welche Richtung wie viel Energie übertragen werden soll. Je nachdem, wie viel Strom aus Wind im Norden und aus Sonne im Süden produziert wird, kann die HGÜ den Strom gezielt dorthin leiten, wo er gebraucht wird. „Mit der neuen Konvertertechnologie machen wir einen wichtigen Schritt, um die Sicherheit der Stromübertragung in Zeiten der Energiewende zu gewährleisten“, sagt Klaus Kleinekorte. Die Vollbrückentechnologie ermöglicht es darüber hinaus, Fehler – etwa bei einem Blitzeinschlag in eine Leitung – schnell und zuverlässig zu beheben.
Anschlussstelle für A-Nord
Zudem ist Ultranet flexibel erweiterbar. Die geplante Gleichstromverbindung von Ostfriesland nach Nordrhein- Westfalen – in der Netzplanung „ A Nord“ genannt – soll direkt an den Konverter im Rheinland angeschlossen werden. „Dank der VSC-Technologie können wir dann den Energiefluss zwischen Ostfriesland, Nordrhein-Westfalen und Baden- Württemberg flexibel steuern“, erklärt Jochen Haude. Nicht nur beim Konverter, sondern auch bei der Trassenplanung setzen Amprion und TransnetBW auf Innovationen: Erstmals werden bei Ultranet Gleich- und Wechselstrom mit einer Spannung von 380 Kilovolt gemeinsam übertragen – und zwar weitgehend auf bestehenden Masten. „Wir sind uns sicher“, sagt Klaus Kleinekorte, „dass wir dieses Hybridkonzept schnell umsetzen und zuverlässig betreiben können.“ Das gilt auch für die Konverter. „Ähnliche Anlagen sind schon erfolgreich in Betrieb“, erläutert Jochen Haude. Und wie sicher sind die Anlagen? „So sicher wie jede herkömmliche Umspannanlage. Den Umrichter kann man sich in dieser Hinsicht als großes Elektrogerät vorstellen.“ Mit technisch gut bekannten Bauteilen wie Kondensatoren und Schaltern.