Um die Klimaziele zu erreichen, setzen wichtige deutsche Industrien auf Wasserstoff als Energieträger. Den steigenden Bedarf können nur neue Power-to-Gas-Anlagen decken. Der überwiegende Teil der Entwicklung wird im Markt stattfinden. Doch auch im Netz machen die Anlagen Sinn. Um beides möglich zu machen, brauchen wir kluge Mechanismen.
Wasserstoff ist ein begehrter Rohstoff: Raffinerien nutzen das Gas, um Benzin und Diesel zu entschwefeln. Aber auch Chemieunternehmen sind auf Wasserstoff angewiesen – etwa um Düngemittel herzustellen. Das Gas wird erzeugt, indem spezielle Anlagen Wasser – mit der chemischen Formel H20 – unter hohem Energieeinsatz in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) aufspalten. Die Energie für diese sogenannte Elektrolyse stammt bislang vor allem aus fossilen Energieträgern. Das soll sich ändern: Damit Deutschlands Wirtschaft bis 2050 weitgehend klimaneutral arbeitet, setzen Chemie-, Mineralöl- und Stahlindustrie langfristig auf Wasserstoff, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird.
Für den Einstieg in die „grüne“ Wasserstoff-Wirtschaft fehlt es allerdings an der nötigen Infrastruktur. Eine wichtige Frage ist noch offen: Wer baut die sogenannten Power-to-Gas (PtG)-Anlagen, die mit Hilfe von Wind- und Solarstrom Wasserstoff herstellen und damit auch auf die Klimaziele einzahlen?
Zwei Modelle werden diskutiert: „Markt-orientierte“ PtG-Anlagen auf der einen Seite, die darauf ausgerichtet sind, große Mengen Wasserstoff für die Industrie effizient zu produzieren. Und „Netz-orientierte“ PtG-Anlagen, die vor allem dazu beitragen sollen, dass das Stromsystem flexibel genug auf die wetterbedingt stark schwankenden Einspeisungen von Wind- und Solarstrom reagieren kann. „Ich bin fest überzeugt davon, dass sich PtG-Anlagen im Markt und im Netz nicht ausschließen“, sagt Dr. Hans-Jürgen Brick, Vorsitzender der Geschäftsführung von Amprion. „Beide Interessen lassen sich in Einklang bringen.“
PtG-Erzeugung weitgehend im Markt
Amprion plant gemeinsam mit dem Gasnetzbetreiber Open Grid Europe eine Netz-orientierte PtG-Anlage. Das Projekt „hybridge“ sieht darüber hinaus vor, das Strom- und Gasnetz miteinander zu koppeln: Der Wasserstoff lässt sich im Gasnetz speichern und zu den Verbrauchern transportieren. „Ich kann verstehen, dass es in der Branche Vorbehalte gegen einen Einsatz von PtG durch Netzbetreiber gibt“, sagt Hans-Jürgen Brick. „Aber ich bin mir sicher, dass wir sie ausräumen können, weil es sich im Kern um sehr unterschiedliche Anlagen handelt.“ Angesichts des hohen Bedarfs in der Industrie steht für ihn fest: „Der weit überwiegende Teil der PtG-Erzeugung wird im Markt erfolgen. Diese Anlagen sollten dann aber auch so laufen, dass sie auf die Klimaziele einzahlen. Dafür brauchen wir gute Mechanismen, an deren Entwicklung wir als Amprion gerne mitwirken“, so Brick.
Denkbar wäre, bestimmte Vorrang-Regionen für PtG-Anlagen mit einem hohen Anteil Erneuerbarer festzulegen oder auch stundenscharfe Grünstrom-Zertifikate oder Herkunftsnachweise. Sonst besteht das Risiko, dass PtG nicht den angestrebten positiven Effekt für die Klimaziele hat. „Gerade in der Phase eines Hochlaufens der Technologie sollten wir hier die Leitplanken setzen, die auch auf dem weiteren Weg in Richtung 2050 helfen“, ist Brick überzeugt.
Der CEO des Übertragungsnetzbetreibers versteht Netz-orientierte Anlagen wie hybridge als ein innovatives Mittel, um erneuerbaren Energien bestmöglich in das Stromsystem zu integrieren. Sie würden den Netzausbau ergänzen, so Brick. Der Elektrolyseur soll dabei auf eine besondere Weise gefahren werden. Sie orientiert sich allein am Stromangebot: Es wird in den kommenden Jahren immer mehr Tage geben, an denen Wind- und Photovoltaikanlagen so viel Strom erzeugen, dass er sich nicht vollständig ins Netz integrieren lässt. Etwa weil er keinen Abnehmer findet oder das Netz so große Mengen nicht abtransportieren kann. Diesen Strom könnte die PtG-Anlage von Amprion und OGE aufnehmen und der Industrie zur Verfügung stellen. „Das erfolgt diskriminierungsfrei über Auktionen“, sagt Hans-Jürgen Brick. Die Versteigerungserlöse entlasteten die Netzkunden.
Er wünscht sich schnelle Entscheidungen der Politik: „Wir müssen die Wasserstoff-Strategie endlich auf den Weg bringen.“ Eine Hängepartie helfe niemandem. „Unser Projekt ist so weit, dass wir in die Genehmigungsphase starten können. Wir brauchen nur das Go aus der Politik.“
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